Seit 2005 führt Franklin Leonard, ein auf Stoffentwicklung spezialisierter Hollywood-Executive, jährlich eine Umfrage unter Kollegen durch und erstellt auf deren Grundlage eine Liste der beliebtesten bis dahin unverfilmten Drehbücher. Diese früher nur industrieintern verwendete Black List ist im Lauf der Zeit zu einer Art Gütesiegel für vielversprechende Stoffe und Drehbuchautoren geworden, schließlich standen auf ihr auch die Skripts zu später vielfach ausgezeichneten Filmen wie „The Revenant“, „Spotlight“, „The King’s Speech“ oder „Argo“. Zack Whedons Drehbuch zu „Come And Find Me“ war 2012 ebenfalls auf der Liste vertreten, was für das Potenzial seiner Geschichte über das spurlose Verschwinden einer Frau und der besessenen Suche ihres Freundes nach ihr spricht. Aber der fertige Film, mit dem der Comic-Autor und jüngere Bruder von Joss Whedon („Marvel’s The Avengers“) nun auch sein Regiedebüt gibt, hält nicht, was die Story verspricht. „Come and Find Me“ erweist sich als verunglückte Mischung aus träge inszeniertem Mystery-Thriller und redseligem Beziehungsdrama – trotz einer soliden Besetzung mit Annabelle Wallis („Annabelle“) und „Breaking Bad“-Star Aaron Paul.
Der Comiczeichner David (Aaron Paul) und die Fotografin Claire (Annabelle Wallis) führen eine glückliche Beziehung in Los Angeles. Sie machen sich einen Spaß daraus, ihr erstes Kennenlernen als Nachbarn, die nicht wissen, dass sie im selben Gebäude leben, immer wieder nachzuspielen - und so einen romantischen Abend einzuleiten. Doch nach einer gemeinsamen Nacht verschwindet Claire spurlos. David schickt ihr unzählige Nachrichten aufs Handy, er klappert ihre Freunde ab – ohne Erfolg. Seine verzweifelte Suche führt ihn nach Monaten zu der Erkenntnis, dass Claire die ganze Zeit ein Doppelleben geführt hat – und plötzlich bekommt es Paul mit russischen Gangstern sowie mit verschiedenen US-Regierungsbehörden zu tun…
Was auf dem ersten Blick nach einer Variation des bitterbösen Mystery-Klassikers „Spurlos verschwunden“ von 1988 klingt, entpuppt sich im weiteren Verlauf der Handlung als eine schlechte Kopie von J.J. Abrams' Agentenserie „Alias“ mit Jennifer Garner. Nach einem eher behäbigen Anfang verliert sich Zack Whedon zunehmend in Verfolgungsjagden, Schusswechseln und vermeintlich überraschenden Wendungen, die oft nicht gerade glaubwürdig ausfallen - ohne dass hier zu viel über das Doppelleben von Claire verraten werden soll. Ein flotteres Erzähltempo könnte über manche Holprigkeiten hinweghelfen, aber Regieneuling Whedon unterläuft jeden Anflug von Dynamik immer wieder mit eher störenden und wenig erhellenden Rückblenden zu den schöneren Tagen der Beziehung. Die bringen uns nicht etwa die besondere Bindung der zwei Protagonisten näher, sondern unterstreichen im Hin und Her der Ebenen eher noch die Klischeehaftigkeit der Figuren und der Inszenierung: So wechseln sich etwa überbelichtete (= glückliche) mit unterbelichteten (= unglücklichen) Szenen ab. Und die schwachen, bemüht wirkenden Dialoge helfen auch nicht.
Aaron Paul und Annabelle Wallis geben sich sichtlich Mühe, ihre Figuren als sympathische Normalos anzulegen, die in eine zunehmend verworrene Geschichte geraten, wo sie jede Kontrolle über ihr Schicksal verlieren. Allerdings wirken sie in den gemeinsamen Szenen eher wie ein kleiner Bruder und seine ältere Schwester, die sich zum Gesellschaftsspiel verabredet haben, statt wie ein leidenschaftliches Liebespaar. Dennoch ist gelegentlich ein bisschen von der Hingabe und Intensität zu spüren, die Aaron Paul schon als Drogendealer Jessie Pinkman in der Kultserie „Breaking Bad“ gezeigt hat, und auch Annabelle Wallis gelingt es, selbst den eher unwahrscheinlichen und manchmal fast schon komischen Facetten ihrer Figur zumindest einen Hauch von Überzeugungskraft zu verleihen.
Fazit: „Come and Find Me“ beginnt als seichte Liebesgeschichte, wird zu einem langatmigen Mystery-Thriller und mutiert schließlich zu einem unglaubwürdigen Agenten-Abenteuer.