Die Geschichte des wohl bekanntesten Drogenschmugglers der Welt – Pablo Escobar, der selbst im Narco-Milieu für seine Brutalität berüchtigt war – wurde in den vergangenen Jahren bereits mehrfach im Kino und TV erzählt: So mimte der Brasilianer Wagner Moura in der Netflix-Serie „Narcos“ (2015) Escobar auf genial-abgründige Weise, während Benicio del Toro den Drogenkönig in „Escobar - Paradise Lost“ (2014) als fiktiven Schwiegeronkel des kanadischen Surfers Nick (Josh Hutcherson) verkörpert. Und in „Barry Seal - Only In America“ (2017), dem oft unterschätzten Tom-Cruise-Abenteuer, tritt Escobar (Mauricio Mejía) als wichtige Nebenfigur auf.
Basierend auf den Bestseller-Memoiren der kolumbianischen Journalistin Virginia Vallejo, mit der Escobar eine mehrjährige Affäre verband, handelt nun auch „Loving Pablo“ von der Lebensgeschichte des mittlerweile in die Populärkultur eingegangenen Verbrechers. Regisseur Fernando León de Aranoa („A Perfect Day“) schildert durch die Sicht der Journalistin Vallejo eine stürmische Liebesgeschichte zweier Antihelden und nebenbei auch Aufstieg und Fall des Paten aller Paten. Aber obwohl das alles solide gemacht und erzählt ist, kommt „Loving Pablo“ kaum originell oder überraschend daher, weil man Escobars Geschichte eben gerade zuletzt bereits so oft gesehen hat und hier nur wenig Neues hinzugefügt wird.
1981 gibt Drogenbaron Escobar (Javier Bardem) auf seinem mondänen Anwesen eine glamouröse Party, auf der Kolumbiens Elite versammelt ist: Politiker, Gewerkschaftsbosse, Fußballspieler, Schauspielerinnen und Models. Auch die landesweit bekannte TV-Moderatorin Virginia (Penélope Cruz) ist eingeladen - und „El Patrón“, wie Escobar genannt wird, ist sofort angetan von der intelligenten, schlagfertigen und attraktiven Journalistin. Zwar will Escobar seine Ehefrau Maria (Julieth Restrepo) nicht verlassen, aber er geht mit Virginia eine leidenschaftliche Affäre ein, die ihm zu solch nationaler Prominenz verhilft, dass er später sogar in den kolumbianischen Kongress gewählt wird. Doch kurz darauf wird er bloßgestellt und gedemütigt, erklärt der Regierung den Krieg und überzieht Kolumbien mit blutigem Terror. Virginia bekommt zunehmend die Konsequenzen ihrer Verbindung zu Escobar zu spüren, verliert ihren Job beim Fernsehen, erhält Morddrohungen und kriegt obendrein Besuch von DEA-Agent Shepard (Peter Sarsgaard). Trotz allem hält sie vorerst aber noch zu Escobar…
In „Loving Pablo“ geht es neben Escobar vor allem um Virginia Vallejo, die stellenweise zu einer wahren Gangsterbraut im Stil der Tony-Soprano-Gattin Carmela gerät. So stößt Virginia einmal sogar Morddrohungen gegen den Chef ihres TV-Senders und dessen Familie aus, als dieser sie feuert. Am Anfang ihrer Beziehung zu El Patrón redet sich Vallejo noch ein, ihr sei es egal, wie ihr Pablo sein Geld verdient. Doch spätestens, wenn sie ihm in den Kongress verhilft, wird sie zur Komplizin. Zumal sich Escobar auch nicht lumpen lässt. Er kümmert sich um ihre materiellen Bedürfnisse, kauft ihr Schmuck, teure Kleidung, es geht auf Reisen. Der selbstverliebten Virginia, die sich ihrer Wirkung auf Männer bewusst ist, gefällt das gut. Auch mit den rauen Typen in Escobars Entourage hat sie kein Problem und macht es sich gewissermaßen auf dem Beifahrersitz seines turbulenten Lebens bequem.
Erst wenn der Figur Virginia die Schattenseiten ihrer Handlungen bewusst werden, gibt es Risse in der Beziehung. Gerade in diesen Szenen treffen Penelope Cruz und Javier Bardem in ihrem Spiel jeden schauspielerischen Ton und vermitteln echte Leidenschaft. Wunderbar gelungen sind auch die Masken der beiden: Der charismatische Bardem, der hier auch selbst als Produzent fungiert, spielt Escobar mit kaltem Blick und – dank Makeup-Prothesen – viel Fett an Bauch und Hals. Für Cruz‘ voluminöse 80er-Jahre-Haarspray-Frisur hingegen scheint die Schwerkraft einfach nicht zu gelten.
Neben dem Romanzenplot geht es aber auch immer wieder um Escobars Taten, die Vallejo mittels Voice Over kommentiert. Hier bleiben vor allem einzelne Szenen im Gedächtnis: In Florida blockieren die Männer des Kartells einen Highway, damit ein Narco-Flugzeug dort landen kann. Sofort springen wartende Helfer herbei und laden die Kokain-Pakete ab, das Flugzeug wird einfach zurückgelassen. Auch die Brutalität der Narcos ist ein konstantes Thema. In einer drastischen Szene wird einem bedauernswerten Opfer ein Straßenköter auf den Rücken gebunden. Dann prügeln die zugekoksten Handlanger auf den Hund ein, der daraufhin den Mann durch Bisse in Nacken und Hals tötet. Das geht einem als Zuschauer durch Mark und Bein.
- Einige dieser Szenen sind auch herrlich skurril, etwa wenn Escobar bis auf ein Sturmgewehr in der Hand nackt durch den kolumbianischen Dschungel flüchtet, während Militär-Helikopter über ihm kreisen. Oder wenn er seinem Sohn Juan einbläut, das von ihm vertriebene Kokain niemals selbst zu konsumieren: Kennst du Nancy Reagan (US-Präsident Reagan war damals gerade im Amt), fragt Escobar den verdutzten Sohn. „Wenn dir jemand Kokain anbietet, sagst du einfach nein“, schärft El Patrón dem Jungen ein. Diese wohl eher fiktive Szene spielt auf die Anti-Drogen-Kampagne in den USA an, für die Nancy Reagan den Slogan „Just say no!“ angeblich erfand. Doch wenn Escobar seinem Sohn erklärt: „Hör auf diese Frau und deinen Vater!“, wirkt dies schon fast surreal und entfaltet einen wunderbar bissigen satirischen Touch.
Hätte Regisseur de Aranoa mehr auf solche originellen Szenen gesetzt, hätte „Loving Pablo“ durchaus das Zeug zu einem richtig coolen Gangster-Streifen gehabt. Doch gerade gegen Filmende spult der Regisseur die bereits bekannten Stationen aus Escobars Leben wie den Bau eines Luxus-Gefängnisses für sich und seine Bande dann doch nur viel zu routiniert ab. Es gelingt dem Regisseur hier nicht, der ikonischen Figur Escobar weitere neue Seiten abzugewinnen. Hier dürften dem Film nur noch diejenigen Zuschauer weiter gebannt folgen, an denen Serien wie „Narcos“ und die anderen jüngeren Escobar-Produktionen vorübergangenen sind.
Fazit: „Loving Pablo“ hat schon arg damit zu kämpfen, dass es in den vergangenen Jahren bereits so viele Filme und Serien zu dem Thema gab. So überzeugen - getragen von starken Darstellern und einer stimmigen Inszenierung des Narco-Milieus – vor allem einzelne Szenen, während der Film als Ganzes einfach zu wenig Neues zu bieten hat.