Wenn man an Knet-Animationsfilme denkt, landet man unweigerlich bei „Wallace & Gromit“-Erfinder Nick Park und den Aardman Animation Studios aus Bristol. Der Brite heimste über die Dauer seiner Karriere bereits vier Oscars für seine herausragende Arbeit ein. Er ist der Vorreiter seiner Zunft und stattet seine Figuren und Geschichten für gewöhnlich mit einer Extraportion Charme und genau dem richtigen Hauch Exzentrik aus. Sein dritter abendfüllender Kinofilm „Early Man - Steinzeit bereit“ lässt aber gerade diese unverkennbaren Merkmale, die Parks Arbeit so unverwechselbar und besonders machen, ein wenig vermissen. Natürlich ist das Steinzeit-Feelgood-Abenteuer makellos animiert und die Knetfiguren entwickeln eine beachtliche Claymotion-Dynamik, aber was die Charakterzeichnung angeht und damit das Innenleben der Figuren, serviert Park dieses Mal nur Hausmannskost. So hat „Early Man“ nicht ganz den gewohnten Aardman-Esprit, aber sehr unterhaltsam ist Parks Geschichte um ein prähistorisches Fußballmatch dennoch.
Zum Ende der Steinzeit kämpfen die letzten Höhlenmenschen auf einem kleinen, begrünten Fleckchen Erde um ihre Existenz, jagen Kleintiere und träumen davon, ein großes Mammut zu erlegen. Chief Bobnar (Stimme im Original: Timothy Spall) führt sein Volk mit sanftem Gemüt und Weitsicht. Eines Tages hält die neue Zivilisation der Bronzezeit mit metallenen Elefantenmaschinen Einzug in ihr Dorf – die Steinzeit ist überholt, die Höhlenmenschen müssen fliehen. Der junge, mutige Dug (Eddie Redmayne) schleicht sich mit seinem prähistorischen Wildschwein Hognob (Nick Park) in die prächtige Bronzehauptstadt ein und findet heraus, dass die Bewohner absolut fanatisch nach einem Spiel namens Fußball sind. Als der Eindringling auffliegt, hat er eine geniale Idee und fordert Statthalter Lord Nooth (Tom Hiddleston) zum Fußballspiel heraus. Wenn die Steinzeit gewinnt, behalten Bobnar und seine Leute ihr Land, wenn nicht, droht ewige Zwangsarbeit. Dumm nur, dass die Meister von Real Bronzio praktisch unbesiegbar sind - jedenfalls nicht von einem Haufen Steinzeit-Hinterwäldler, die nie zuvor gegen einen Ball getreten haben. In der begnadeten Kickerin Goona (Maisie Williams) finden Dug und Co. eine Verbündete, die ihnen das Fußballspielen beibringt, um das Wunder zu vollbringen.
Die Briten und der Fußball! Das ist eine ganz besondere Beziehung. Es waren die Inselbewohner, die dieses so faszinierende Spiel, das bis in die Gegenwart die Massen mobilisiert wie nichts anderes, in der Mitte des 19. Jahrhunderts erfanden. Und noch heute sind sie fußballverrückter als der fast der ganze Rest der Welt. In seinem Mutterland ist das beliebte Ballspiel so etwas wie eine Religion. Wie so oft hat sich Nick Park für seine erste Regiearbeit seit „Wallace & Gromit - Auf der Jagd nach dem Riesenkaninchen“ (2005) also wieder ein typisch britisches Thema ausgesucht, das er liebevoll mit Details ausstaffiert. Mit der charmanten Eröffnungsszene geht es verheißungsvoll los: Vom Himmel donnert, nahe Manchester, eine Feuerkugel auf das Paradies der Höhlenmenschen, die aus der Not heraus, weil die Kugel so heiß ist, damit zu spielen beginnen. So entstand der Fußball also wirklich!
Nach diesem pfiffigen Prolog macht Nick Park einen Zeitsprung in die Haupthandlung um Dug und seine Freunde. Sie werden als spielerische Frühmenschen porträtiert, deren Zusammenleben im Stamm von gegenseitigem Respekt geprägt ist. Ihre kleine Steinzeitgemeinschaft erscheint als idealtypisches Idyll und so sind sie in der folgenden Konfrontation mit dem vermeintlichen Fortschritt dann auch die eindeutigen Helden, die sich fieser Invasoren erwehren müssen. Die Lage erscheint aussichtslos…Dieses klassische David-gegen-Goliath-Muster variiert Park in seinem dünnen Plot nur sehr geringfügig, dabei gibt es viel zu wenig Platz für echte Außenseiter und Abweichler. So bekommt kaum eine Figur aus der Gruppe der Höhlenmenschen und erst recht niemand von den bösen Bronzezeitlern echte Ecken und Kanten, was die Handlung wiederum noch berechenbarer macht als sie es ohnehin schon ist.
Während anspielungsreiche Nebensächlichkeiten (die Imbissbude heißt „Jurassic Pork“) zwischendurch für Vergnügen sorgen, sind es in Ermangelung denkwürdiger Einzelfiguren kleine erzählerische Spitzen und Querschüsse, die „Early Man“ zumindest einige Widerhaken geben. So werden die Invasoren mit einem herrlich überkandidelten französischen Akzent karikiert, der an Monty-Python-Humor erinnert, und es sorgt immer wieder für Heiterkeit, wenn die furchtbar eingebildeten Bronzezeitmenschen (=Franzosen) sich exzentrisch in ihrer vermeintlichen Überlegenheit sonnen. Lustig ist auch, wie Park die Star-Spieler von Real-Bronzio als eitle Gockel überzeichnet und satirisch aufs Korn nimmt. Real-Kapitän Jürgend hat dabei sicher nicht zufällig ähnlich blond-seidenes Haar wie Deutschlands Ehrenspielführer und 1990er Fußball-Weltmeister Jürgen Klinsmann zu seiner besten Zeit. Die Höhlenmenschen fallen dagegen blasser aus als bei Park üblich, sind aber nichtsdestoweniger veritable Sympathieträger. So besitzt das abschließende und alles entscheidende Fußballmatch, das der Regisseur wie einen rauschenden Gladiatorenkampf aufzieht, trotz aller dabei aufgebotenen Sportfilmklischees einen immensen Feelgood-Faktor. Und man drückt schließlich gerne die Daumen, wenn der Underdog über sich hinauswächst und das Unmögliche möglich machen will.
Fazit: An die besten Werke aus den Aardman Animation Studios kommt das Knetfiguren-Abenteuer „Early Man“ nicht heran, aber solide Unterhaltung auf technisch hohem Niveau ist Nick Parks neuester Stop-Motion-Trickfilm allemal.