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    Tatort: Wer Wind erntet, sät Sturm
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,0
    lau
    Tatort: Wer Wind erntet, sät Sturm
    Von Lars-Christian Daniels

    Mangelnden Mut konnte man den Autoren der Bremer „Tatort“-Folgen bislang nur selten vorwerfen. Allein die letzten drei Beiträge aus der Hansestadt fielen thematisch so bunt aus wie in kaum einer zweiten Stadt der beliebten Krimireihe: Im herausragenden „Tatort: Brüder“ gerieten die Hauptkommissare Inga Lürsen (Sabine Postel) und Nils Stedefreund (Oliver Mommsen) in ein Schreckensszenario aus brutaler Clan-Kriminalität, im soliden „Tatort: Alle meine Jungs“ ermittelten sie gegen den aalglatten Paten einer skurrilen Müllmafia und im starken „Tatort: Die Wiederkehr“ deckten Lürsen und Stedefreund ein finsteres Familiendrama auf, dessen Spuren bis weit in die Vergangenheit reichten. Auch Florian Baxmeyers („Die drei ??? – Das Geheimnis der Geisterinsel“) kapitalismuskritischer „Tatort: Wer Wind erntet, sät Sturm“ wartet wieder mit einer mutigen Handlung auf – doch der ungewohnt leichenreiche Öko-Krimi des Bremer Stamm-Regisseurs ist diesmal deutlich weniger gelungen. Das liegt in erster Linie daran, dass die überzeichneten Figuren nur bedingt mit der ernsten Grundausrichtung der Geschichte harmonieren, aber auch an den mit auffallend vielen Phrasen gespickten, oft unfreiwillig amüsanten Dialogen.

    Der Umweltaktivist Henrick Paulsen (Helmut Zierl) kehrt von einer waghalsigen Ein-Mann-Aktion nicht zurück: Nachdem er auf einem Windrad in der Nordsee tote Zugvögel entdeckt und ein Video von seinem Fund ins Internet gestellt hat, verschwindet er spurlos von der Bildfläche. Hat der Windpark-Betreiber Lars Overbeck (Thomas Heinze) etwas damit zu tun? Seine Firma steht kurz vor der Insolvenz und kritische Stimmen kann er beim Kampf um einen entscheidenden Bankkredit nicht gebrauchen. Als die Bremer Hauptkommissare Inga Lürsen (Sabine Postel) und Nils Stedefreund (Oliver Mommsen) die Bleibe des Verschwundenen untersuchen, entdecken sie in dem abrissreifen Haus die Leiche eines weiteren Aktivisten. Hat Paulsen ihn erschossen? Die erste Spur führt zu seiner Ex-Frau Katrin Lorenz (Annika Blendl), die dem tatendurstigen Umweltschützer Kilian Hardendorf (Lucas Prisor) in einem Zelt im Garten Unterschlupf gewährt. Auch er scheint mehr über die Hintergründe zu wissen. Licht ins Dunkel bringt aber erst Overbecks gewiefter Konkurrent Milan Berger (Rafael Stachowiak), der dem angeschlagenen Overbeck-Konzern durch das Aufkaufen wertvoller Nordsee-Claims den Todesstoß versetzen möchte...

    Nur wer gegen den Strom schwimmt, gelangt zur Quelle.“ – „Ich will die Welt ein bisschen besser machen!“ – „Jeder Mensch braucht große Ziele.“ – Gute zehn Minuten sind vergangen, da ist auch schon das erste Phrasengewitter über den Zuschauer hereingebrochen. Die Drehbuchautoren Wilfried Huismann („Lachsfieber“), Dirk Morgenstern („Arschkalt“) und Boris Dennulat („Blindflug“) sind bei ihrer Öko-Geschichte zwar von Beginn an um differenzierte Kritik an Kapitalismus und Energiewende bemüht, feuern dabei aber aus allen Rohren mit Binsenweisheiten, die von den charismatischen Nebendarstellern Thomas Heinze („Lügen und andere Wahrheiten“), Helmut Zierl („Familie Sonnenfeld“) und Rafael Stachowiak („Nackt unter Wölfen“) auch noch permanent wiederholt werden müssen. Dabei sind die Dialoge nicht halb so originell wie der Krimititel, der das beinharte Geschäft mit der Offshore-Energie und die Protest-Aktionen der Umweltschützer auf den Punkt bringt: Mit Öko-Strom lässt sich eine Menge Geld verdienen – und auch wenn die Windparks vor Deutschlands Küsten für den Klimaschutz von Vorteil sein mögen, vor allem Zugvögel und Schweinswale leiden darunter.

    Handwerklich kann sich der Öko-Krimi, der es auf stolze sechs Leichen bringt, sehen lassen: Baxmeyers „Tatort“ spielt zu großen Teilen an der Küste Bremerhavens, was Kameramann Peter Krause („Sonnenallee“) immer wieder für schicke Panoramen und ausgedehnte Kameraflüge über die Nordsee nutzt. Aber das Drehbuch bleibt um Längen hinter diesen tollen Bildern zurück und krankt vor allem daran, dass einige der grob gezeichneten Nebenfiguren trotz ordentlicher Darstellerleistungen kaum so ernst zu nehmen sind, dass sie in die ernste Geschichte passen würden. Das gilt vor allem für Windpark-Boss Overbeck: In der Anlage ist das eine durchaus vielschichtige Figur, doch wenn sich der zynische Konzernchef beispielsweise auf einem Podest vor seiner offenbar nur aus 20 Männern bestehenden Belegschaft aufbaut und Durchhalteparolen durch die Werkshalle krakeelt, bekommt die Szene nicht zuletzt durch die übermotivierten Statisten im Blaumann fast etwas Albernes.

    Immer wieder fehlt es im 951. „Tatort“ an erzählerischem Feingefühl: „Unter uns: Manche Aktionen bewundere ich ja“, gesteht Hauptkommissarin Lürsen dem Aktivisten Hardendorf wenig später beim Verhör – übersieht dabei aber, dass in diesem vermeintlich vertraulichen Moment ihr Kollege Stedefreund und ein fremder Polizist direkt neben ihr und dem Verdächtigen stehen. Zur Lachnummer gerät der Krimi dann bei einer Slapstick-Prügelei zwischen Overbeck und Hardendorf, bei der die Streithähne zwischen Bücherstapeln und Puppenhäusern mit Gitarren aufeinander einschlagen. Einen weiteren Gipfel erreicht die unfreiwillige Komik, als der actiongeladene Showdown kurzerhand unterbrochen wird, weil ein Beteiligter noch am Laptop den dringenden Skype-Anruf seiner aufgeweckten Oma (Irmgard Jedamzik) annehmen muss. „Sie verlieren hier völlig die Verhältnismäßigkeit“, bilanziert Lürsen – ein Fazit, das man auch für viele Szenen in diesem „Tatort“ ziehen könnte.

    Fazit: Nette Schauwerte, dürftiges Drehbuch – Florian Baxmeyer bleibt mit dem Bremer „Tatort: Wer Wind erntet, sät Sturm“ deutlich hinter den vorhergehenden Krimis aus der Hansestadt zurück.

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