Grandiose Alpenpanoramen und artiges Liedgut, zünftige Trachten und kunstvoll geflochtene Gretl-Zöpfe, herbe Schicksalsschläge und wundersame Rettungen: Für den deutschen Heimatfilm der 1950er Jahre enthielt die abenteuerliche Trapp-Saga, von Wolfgang Liebeneiner auf zwei immens erfolgreiche Filme verteilt, genau die richtigen Zutaten. Aber auch Hollywood war von dem transatlantischen Märchen fasziniert und schuf 1965 mit „The Sound of Music - Meine Lieder, meine Träume“ einen Welterfolg, von dem die österreichische Tourismusindustrie bis heute zehrt. Längst wissen wir, dass diese Produktionen stark von der wahren Geschichte abweichen, manches wurde geglättet, anderes unterschlagen. Regisseur Ben Verbong („Das Sams“, „Herr Bello“) unternimmt mit seiner Neuverfilmung, einer in englischer Sprache gedrehten deutsch-österreichischen Koproduktion, nun nicht etwa den Versuch, am Mythos zu kratzen, vielmehr ist sein „Die Trapp Familie – Ein Leben für die Musik“ in Haltung und Ästhetik ganz nah dran am biederen, steifen Ton dessen, was von den Pionieren des Neuen Deutschen Films schon vor über 50 Jahren verächtlich als „Papas Kino“ bezeichnet wurde.
Ein Nest in den Bergen, irgendwo in den USA. An Heiligabend folgt Agathe von Trapp (Rosemary Harris) ihrer Großnichte Kirsty (Lauryn Canny) zum Bahnhof. Um den rebellischen Teenager vom Ausbüxen abzuhalten, erzählt die alte Frau in langen Rückblenden ihre Lebensgeschichte. Diese beginnt Anfang der 1920er Jahre im österreichischen Zell am See. Agathe, das älteste von sieben Kindern, ist neun Jahre alt, als ihre Mutter (Bettina Mittendorfer) an Scharlach stirbt. Ein paar Jahre später, die Familie lebt jetzt in Salzburg, ist Agathe (Eliza Bennett) ihrerseits zum störrischen Teenager herangewachsen. Als ihr Vater Georg Ludwig von Trapp (Matthew Macfadyen), ein ehemaliger U-Boot-Kommandant, das Kindermädchen Maria (Yvonne Catterfeld) heiratet, torpediert Agathe die Ehe bei jeder sich bietenden Gelegenheit. Erst als Mitte der 30er Jahre die politischen Verhältnisse wegen der drohenden Machtübernahme durch die Nazis immer prekärer werden, lässt sie sich auf eine Allianz mit der neuen Stiefmutter ein, um der inzwischen verarmten Familie eine Zukunft zu ermöglichen. Mit dem aus allen Geschwistern bestehenden Chor der Trapp-Familie treten sie bei den Salzburger Festspielen auf ...
Zwei Dinge stellen Ben Verbong und seine Drehbuchautoren unmissverständlich klar: Ein simples Remake sollte diese Neuauflage keinesfalls werden, weshalb sie die Memoiren von Trapp-Tochter Agathe als Vorlage wählten, um dem vertrauten Stoff mit frischem Blick begegnen zu können. Zum anderen aber wollten sie sich vom Geist des Mythos keineswegs entfernen. Das heißt in ästhetischer Hinsicht, dass Verbong ganz auf die Mittel des Heimatfilms setzt, also in Alpenkulissen und adretter Folklore schwelgt, stets das Hübsche und Pittoreske betont. Seine farbenfrohen, lichtdurchfluteten Bilder wirken brav komponiert und seltsam steril. Und es heißt in inhaltlicher Hinsicht: keinerlei Hinweise auf jene Gerüchte, wonach Chormitglieder gegen ihren Willen zum Singen gezwungen wurden, wonach die gottesfürchtige Maria ihren Georg Ludwig gar nicht liebte, sondern aus pragmatischen Erwägungen heiratete, und wonach der letzte Spross aus dieser Verbindung womöglich einen anderen Vater hatte.
Also keine Revision, erst recht keine Revolution. Und das dramaturgische Manöver, die Geschichte ganz auf Agathe zuzuspitzen, erweist sich als Fehlschlag. Georg Ludwig und Maria, sonst das emotionale Zentrum der Geschichte, treten so weit in den Hintergrund, dass ihre Romanze jeden Zauber verliert. Folglich bleiben Matthew Macfadyen („Anna Karenina“) und Yvonne Catterfeld („Die Schöne und das Biest“) blutleer und blass. Stattdessen dreht sich alles um die pubertären Probleme einer Protagonistin, die nie stark und interessant genug ist, um uns emotional zu binden. Auch die Rückblendenstruktur hilft nicht weiter; ein schlüssiges Ineinander von Gegenwart und Vergangenheit bringen die Drehbuchautoren nicht zustande, sie begnügen sich mit einer aufgesetzt wirkenden Verdopplung des Vater-Tochter-Konflikts, der sich ohnehin in Wohlgefallen auflöst. In dieser keimfreien Alpenmärchenwelt wird trotz aller Schicksalsschläge stets alles bis zur Belanglosigkeit glattgebügelt.
Fazit: Missglückte Neuauflage eines ohnehin gestrigen Stoffes ohne Spannung, Humor und Relevanz.