Es gibt Berufsgruppen, die haben es bei den Drehbuchautoren der „Tatort“-Reihe traditionell schwer. Zum Beispiel die Rechtsanwälte: Die meist arrogant und distanziert dargestellten Juristen werfen den ermittelnden Kommissaren regelmäßig Knüppel zwischen die Beine, weil sie ihre Klienten mit aller Macht vor der U-Haft bewahren und dafür die Lorbeeren sowie ein sattes Honorar einheimsen wollen. Oder die Journalisten: Immer auf der Jagd nach einem Aufmacher, kennen Schreiberlinge und Fotografen im „Tatort“ meist keine moralischen Hemmschwellen, rücken die Polizei-Arbeit auf der Titelseite in ein schlechtes Licht oder halten mit Indizien hinter dem Berg, weil sie eine quotenbringende Story wittern. Und nicht zuletzt die Politiker: Wer im „Tatort“ Krawatte trägt und einen Dienstwagen mit Chauffeur sein eigen nennt, hat eigentlich grundsätzlich Dreck am Stecken. In Tim Tragesers „Tatort: Roomservice“ treffen gleich alle drei genannten Berufsgruppen aufeinander – und so überrascht es nicht, dass der reichlich altbacken arrangierte Krimi aus Ludwigshafen neben abgegriffenen Dialogen vor allem Klischees und langweilige Figuren zu bieten hat.
Auf der VIP-Etage eines Kurpfälzer Luxushotels trifft das Zimmermädchen Yasemin Akhtar (Naima Fehrenbacher) einen Hotelgast in seiner Suite: Der einflussreiche EU-Kommissar Joseph Sattler (Peter Sattmann) trägt nur einen Bademantel und überredet die junge Schönheit mit Bargeld zum Sex. Anschließend reist er zu einem Fernsehtermin ab – und Yasemin stürzt im Treppenhaus zu Tode. Selbstmord? Spurensicherungsleiter Peter Becker (Peter Espeloer) und Fallanalytikerin Johanna Stern (Lisa Bitter) stellen den tödlichen Sturz nach und beweisen das Gegenteil. Doch Sattler hat dank des TV-Auftritts ein wasserdichtes Alibi und weiß mit seiner Ehefrau Valerie (Suzanne von Borsody) eine gewiefte Anwältin an seiner Seite, die ihn aus der Schusslinie manövriert. Wichtige Erkenntnisse erhoffen sich die Hauptkommissare Lena Odenthal (Ulrike Folkerts) und Mario Kopper (Andreas Hoppe) von Yasemins Schwester Rana Akhtar (Nilam Farooq), die ebenfalls als Zimmermädchen in dem Luxushotel arbeitet. Dort führt Hotelchef Dreusen (David C. Brunners) ein strenges Regiment. Und irgendetwas scheint ihn mit dem undurchsichtigen Journalisten Wolfgang Schüttler (Jürgen Rißmann) zu verbinden, der den Sattlers auf ihrem Anwesen nachstellt...
Die reale Geschichte, auf die die Drehbuchautoren Stefan Dähnert („Das Ende der Geduld“) und Patrick Brunken („Die Fahnderin“) offen anspielen, liegt vier Jahre zurück: 2011 war es der ehemalige IWF-Präsident Dominique Strauss-Kahn, der wegen versuchter Vergewaltigung verhaftet wurde und seine Hoffnungen auf die französische Präsidentschaft frühzeitig begraben musste. Im Krimi müssen sich nun dunkelhaarige Zimmermädchen und die junge Fallanalytikerin Stern der Avancen von Strauss-Kahns „Tatort“-Pendant Joseph Sattler erwehren: Der schmierige EU-Kommissar ist so ziemlich auf alles scharf, was hochhackige Schuhe trägt und macht gegenüber seiner Ehefrau Valerie auch gar keinen Hehl daraus. Warum die toughe Juristin („Kannst du nicht einmal versuchen, deinen Schwanz im Zaum zu halten?“) nach 30 Jahren Ehe und vielfachem Fremdgehen ihres Mannes in einer sagenhaften Nibelungentreue zu ihm steht und ihren Gatten gegen alle Angriffe von außen verteidigt, bleibt aber nebulös: Beim vertraulichen Mondscheingespräch mit Odenthal flüchtet sich Valerie in abgegriffene Phrasen („Unsere Beziehung findet auf einer anderen Ebene statt.“) – und dass ihr Mann sich auf ihren Wunsch hin für die Frauenquote in den Vorständen von Großkonzernen stark macht, wirkt als alleiniges Motiv reichlich dünn.
Die Sattlers sind aber bei weitem nicht die einzigen Figuren, die unter den uninspirierten Dialogen, der konstruierten Geschichte und den vielen Klischees zu leiden haben: Journalist Schüttler wirkt mit seiner unvorteilhaften Brille, den fettigen Haaren und dem Schlabberhemd in undefinierbarer Farbe schon rein äußerlich wie ein Vorzeige-Schmierfink, der von der Hand in den Mund leben muss. Der hochnäsige Hotelchef Dreusen hingegen verkörpert im stets perfekt sitzenden Anzug das Gegenteil und tadelt seine billigen Arbeitskräfte natürlich bei jeder Gelegenheit. Dass der Hotelleiter bei den Ermittlungen so nachdrücklich auf Diskretion drängt („Nehmen Sie Rücksicht auf die Gäste!“), bleibt indes rätselhaft – in der zweiten Filmhälfte schlendern schließlich überhaupt keine Gäste mehr über die Hotelflure. Hier hat der SWR einfach an den Statisten, im Präsidium hingegen mal wieder an den Getränken gespart: Kopper und Dreusen trinken aus leeren Kaffeetassen und Plastikbechern, weil die Requisite ihnen nichts eingeschenkt hat. Diese handwerklichen Unzulänglichkeiten werden eigentlich nur noch vom unbeholfenen englischen Krimititel übertroffen: Das Zimmermädchen weiß es besser und meldet sich vor dem Betreten der Suite mit „Housekeeping!“ – der titelgebende „Roomservice“ spielt im 948. „Tatort“ überhaupt keine Rolle.
Die Bemühungen der Filmemacher, den Krimi aus Ludwigshafen nach der Durststrecke der vergangenen Jahre wieder auf Kurs zu bringen, sind spürbar – doch die Ideen wollen einfach nicht fruchten. Die altbewährten Ermittler – allen voran Assistentin Edith Keller (Annalena Schmidt) – wirken wie Relikte aus vergangenen „Tatort“-Jahrzehnten und staunen Bauklötze, wenn die nervtötende neue Kollegin Stern eine Plastikpuppe durchs Treppenhaus schmeißt und pausenlos auf ihrem Tablet herumwischt, ohne das sie vermutlich nicht mal zur nächsten Bushaltestelle finden würde. „Ein Ende ist immer auch ein Anfang“, philosophiert die dienstälteste „Tatort“-Kommissarin Lena Odenthal weise, und bringt damit auf den Punkt, was auch ihr blühen könnte, wenn es denn zumindest eine ernstzunehmende Konkurrentin auf dem Präsidium gäbe. Doch die in achselfreien Blümchen-Tops ermittelnde LKA-Überfliegerin Stern sorgt beim vorprogrammierten und zugleich furchtbar konstruiert wirkenden Generationenkonflikt eher für Fremdschäm-Momente als für den erhofften frischen Wind. Da passt es ins Bild, dass sich der immer mehr zum Sidekick degradierte Kopper angesichts der weiblichen Überzahl im Präsidium irgendwann selbst in Frage stellt („Ich dachte schon, ihr braucht mich überhaupt nicht mehr!“) und den Nagel damit auf den Kopf trifft.
Fazit: Tim Tragesers „Tatort: Roomservice“ ist ein typischer „Tatort“ aus Ludwigshafen – stets bemüht, aber in fast jeglicher Hinsicht enttäuschend.