Allgemein werden der Musik verbindende Eigenschaften zugeschrieben. Sie kann Brücken bauen und über Sprachbarrieren hinweg berühren. Die religiösen Führer des Iran dagegen sehen in ihr eine Gefahr, zumindest wenn singende Frauen beteiligt sind. Die weibliche Stimme gilt den Ajatollahs als Auslöser von unzüchtigen Gedanken und so ist der Gesang von Frauen seit der islamischen Revolution von 1979 aus der Öffentlichkeit verbannt. Solistinnen ist es verboten, vor einem gemischten oder einem rein männlichen Publikum aufzutreten und auch Aufnahmen einst populärer Sängerinnen sind nur noch auf dem Schwarzmarkt erhältlich. Die Komponistin und Sängerin Sara Najafi will die Restriktionen des rigiden Regimes nicht länger hinnehmen und setzt alle Hebel in Bewegung, um ein öffentliches Konzert mit Sängerinnen aus dem Iran, Frankreich und Tunesien in Teheran auf die Beine zu stellen. Regisseur Ayat Najafi begleitet seine beharrlich mit den offiziellen Stellen ringende Schwester in der Dokumentation „No Land’s Song“ bei der Organisation des Konzerts, dessen Realisierung immer wieder auf Messers Schneide steht. Er zeigt, wie Sara zwischen Teheran und Paris gegen die strengen Auflagen angeht und immer wieder clevere Möglichkeiten findet, den Steinen auszuweichen, die ihr die Bürokratie in den Weg legt.
Regisseur Ayat Najafi widmete sich bereits in seiner ersten Dokumentation „Football Under Cover“ der von Regeln und Einschränkungen geprägten Lebenswirklichkeit iranischer Frauen. Damals ging es um ein Fußballspiel der Frauennationalmannschaft des Landes, nun geht es um ein öffentliches Konzert mit Gesangssolistinnen. Die sich über mehrere Jahre hinziehenden Anstrengungen der unermüdlichen Sara Najafi stehen im Mittelpunkt des Films, besonders vielsagend sind dabei die heimlichen Tonaufnahmen von einigen der zahlreichen Behördengänge der mutigen Frau, in denen die absurden Ressentiments der Ordnungshüter zum Ausdruck kommen. Diesem geschickt in eine Spannungsdramaturgie eingebetteten zermürbenden Kampf gegen den unnachgiebigen Staatsapparat stellt Ayat Najafi wirkungsvoll die Musik gegenüber: Die gefühlvoll vorgetragenen Songs dürfen hier in aller Ruhe ihre besondere exotische Faszination entfalten – und so wird in „No Land’s Song“ nicht nur die Zivilcourage einer jungen Frau zelebriert, sondern vor allen auch das iranische Liedgut und der Glaube an die integrative Kraft der Musik.
Fazit: „No Land’s Song“ ist eine engagierte Dokumentation über den Kampf einer jungen iranischen Frau gegen bürokratische Hürden und zugleich ein mitreißender Beleg für die emotionale Kraft von Musik.