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    Staatsdiener
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,0
    stark
    Staatsdiener
    Von Michael Meyns

    „Dem Staat dienen.“ Für viele junge Menschen ist diese Vorstellung schon wegen der für sie vorbelasteten Begriffe „Staat“ und „dienen“ ein absoluter Graus. Und sowieso ist das alles andere als leicht mit der Vermittlerfunktion zwischen Staat und Bürgern, die von Polizisten in Deutschland Tag für Tag verlangt wird – zumal sie von verschiedenen Seiten oft reflexartig und unreflektiert als „Bullen“ abgetan werden, die ein „Schweinesystem“ verteidigen. Das stellt gerade junge Polizeirekruten vor eine schwierige Aufgabe: Sie müssen ihre persönlichen Wertvorstellungen erst einmal hintenanstellen und stattdessen vom Staat vorgegebenen Maßstäben und Prinzipien folgen. In ihrer präzise beobachteten Dokumentation „Staatsdiener“ begleitet Regisseurin Marie Wilke zwei Polizeischüler, die mit dieser Herausforderung kaum verschiedener umgehen könnten.

    Die Filmemacherin durfte ohne Einschränkungen oder Vorgaben die Rekruten einer Polizeischule in Sachen-Anhalt bei ihrer Ausbildung und einem folgenden Praktikum in einer regulären Polizeistation begleiten. So lässt sich auch die Dokumentation in zwei Abschnitte teilen: Zuerst kommt der theoretische, in dem die Polizeischüler nachgestellte Situationen erleben, das korrekte Verhalten und Staatslehre beigebracht bekommen. Und dann folgt die Praxis, in der die Rekruten mit echter Gefahr, echtem Blut und echten Menschen mit echten Problemen konfrontiert werden.

    Wilke beobachtet die Ausbildung in ruhigen, beobachtenden Einstellungen (also das genaue Gegenteil der effekthascherischen Einsatz-Dokus im TV-Vorabendprogramm) und stellt bald kaum merklich zwei Rekruten in den Mittelpunkt: Die von ihren humanistischen Idealen geprägte, sehr freundliche und hilfsbereite Kathrin sowie den deutlich selbstbewussteren Viktor, der viel weniger Probleme damit hat, seine durch die Uniform verliehene Autorität einzusetzen. Gerade in den Problembezirken von Halle, wo vor allem Ex-Häftlinge und Alkoholiker den Arbeitsalltag der Polizisten dominieren, kommt Victor mit seiner Art sehr viel weiter als die auf Diskussionen und Kompromisse bedachte Kathrin. Das ist der Kontrast, der „Staatsdiener“ so spannend macht: Wie kann man sich selbst und seinen Werten treu bleiben, wenn die Aufgabe ist, die allgemeine Ordnung aufrecht zu halten? Ein Paradox, das Polizisten täglich aufs Neue für sich lösen müssen.

    Fazit: Spannende, anregende, niemals sensationslüsterne Dokumentation über den Alltag von Polizeischülern, die erst in der Theorie und dann auch im Arbeitsalltag mit den vielfältigen praktischen, oft aber zudem auch moralischen Herausforderungen des Dienstes für den Staat konfrontiert werden.

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