Die seit 2011 veröffentlichte Manga-Reihe „Terra Formars“ von Autor Yū Sasuga und Zeichner Ken’ichi Tachibana hat bereits etliche Kontroversen provoziert: Die Ausgaben der in schwarz-weiß gezeichneten Reihe sind zwar mehrfach preisgekrönt und gingen allein in Japan weit mehr als zehn Millionen Mal über die Ladentheke, aber der Inhalt löste heftigste Rassismusvorwürfe aus. Der Kampf von größtenteils weißen Helden gegen schwarze Hünen provoziert solche Gedanken schon allein durch die Bildsprache, dazu kommen Nebenfiguren wie „Adolf Reinhardt“ und „Eva Frost“ sowie ein gottgleicher blonder Held namens Joseph Gustav Newton, der auch direkt aus einem feuchten Nazi-Traum entsprungen sein könnte. Bei der Kino-Realverfilmung von Kultregisseur Takashi Miike („Audition“, „Ichi The Killer“) wird es einen solchen Aufschrei nun allerdings ganz sicher nicht geben. Der eigentlich vor keiner Kontroverse zurückschreckende Regisseur adaptiert nur einen kleinen Ausschnitt aus dem Manga, in dem die oben genannten Figuren gar nicht vorkommen. Aber selbst diesen hat er dann trotz angedeuteter Gore-Szenen noch zusätzlich glattgebügelt. Das Ergebnis ist so zwar deutlich unproblematischer als die Vorlage, aber leider auch ziemlich langweilig.
Um den Mars für Menschen lebensfähig zu machen und so der Überbevölkerung auf der Erde Herr zu werden, wurden unter anderem Kakerlaken auf dem Roten Planeten ausgesetzt. Im Jahr 2599 schickt der modebewusste und ziemlich exzentrische Geschäftsmann Ko Honda (Shun Ogori) nun eine bunte Schar Krimineller hinauf ins All. Sie sollen die Kakerlaken töten, um so den Weg zur Besiedlung des Planeten frei zu machen. Doch auf dem Mars angekommen, müssen die Todeskandidaten erfahren, dass sie belogen wurden. Sie sind nicht die erste Mission und die Käfer sind zu riesigen muskulösen Hünen mutiert, die ihre menschlichen Widersacher spielend zerteilen und zertrampeln. Doch Ko Honda hat vorgesorgt. Er hat den Terroristen, Serienkillern, Yakuzas und sonstigen Verbrechern an Bord des Schiffes heimlich eine jeweils einzigartige Käfer-DNA eingepflanzt, die es ihnen ermöglicht, sich zu verwandeln und die Kräfte der verschiedenen Käfer-Arten zu nutzen. Ungeziefer soll also Ungeziefer vernichten…
Was Takashi Miike und sein Drehbuchautor Kazuki Nakashima („Ashura“) aus „Terra Formars“ machen wollten, wissen sie womöglich selbst nicht so genau. Munter mäandern sie zwischen aberwitzigem Trash-Gore-Fest und ernstem Sci-Fi-Blockbuster, ohne dabei einen kohärenten Ton zu finden. Aufgrund der Verkaufszahlen der Vorlage ist „Terra Formars“ als großer Kinoerfolg konzipiert, aber da nur Stückwerk aus dem Manga übernommen wurde, hat die Mischung aus „Power Rangers“ und „Starship Troopers“ einfach nicht den nötigen inhaltlichen Unterbau dafür. Immer wieder werden Dinge angerissen und dann doch schnell fallen gelassen. Wenn an einer Stelle Bösewicht Ko Honda mit wirren Worten und überdrehter Körperakrobatik seinen wahren Plan offenbart, nimmt eine der Figuren mit einem wenig überzeugten „Was?“ dem Zuschauer das Wort aus dem Mund. Auch das daran angeschlossene „Das ist absurd!“ würde man sofort unterschreiben.
Obwohl in Rückblenden einzelne Mitglieder der Crew vorgestellt werden, taugt keines davon zur Identifikationsfigur – selbst wenn das Geschwisterpaar Shokichi (Hideaki Ito) und Nanao (Emi Takei) vehement in diese Richtung gedrückt wird. Trotz des Engagements der Crème de la Crème der aktuellen jungen japanischen Schauspielergarde bleiben die auf den Mars geschickten Sträflinge nämlich eine gesichtslose Crew, in der auch die mittlerweile in Hollywood etablierte Rinko Kikuchi („Pacific Rim“, Oscarnominierung für „Babel“) komplett untergeht. Wenn sich die unfreiwilligen Astronauten dann selbst in Käfer verwandeln, präsentiert Miike mit kleinen Einspiel-Lehrfilmen zu den Fähigkeiten der jeweiligen Art zumindest mal einen witzigen Einfall, der aber gleichzeitig auch dazu beiträgt, dass das eh schön träge Tempo noch zusätzlich verschleppt wird. Zudem nutzt der Regisseur die verschiedenen Fähigkeiten der einzelnen Mensch-Käfer-Hybriden im Kampf nur selten, so dass sich auch in den Schlachtsequenzen schnell Langeweile einstellt. Es ist bezeichnend, dass einem der spöttische Kommentar des Off-Sprechers beim schnellen Tod zweier Kämpfer, dass man nun ja gar nicht erfahren werde, was ihnen denn ihre ungenutzten (und auch ziemlich unnützen) Käfer-Fähigkeiten wohl im Kampf gebracht hätten, positiver in Erinnerung bleibt als fast jede tatsächlich eingesetzte Spezialfähigkeit.
Fazit: Mit „Terra Formas“ liefert der umtriebige Regietausendsassa Takashi Miike einen der ödesten Filme seiner ansonst so schillernden Karriere ab.