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    Ein Becken voller Männer
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    Ein Becken voller Männer
    Von Carsten Baumgardt

    „Eine dumme und fehlerhafte Entscheidung.“ So empörte sich Russlands stramm-konservativer Sportminister Witali Mutko 2015, als bei der Weltmeisterschaft der Synchronschwimmer in Russland erstmals auch Männer (im Mixed) teilnehmen durften. Im liberalen Frankreich ist man da gedanklich schon viel weiter. Schauspieler und Gelegenheitsregisseur Gilles Lellouche („Kein Sterbenswort“, „Das Leben ist ein Fest“) erzählt in seiner gutherzigen Wohlfühl-Tragikomödie „Ein Becken voller Männer“ davon, wie ein Haufen männlicher Loser ausgerechnet im Synchronschwimmen einen Ausweg aus der Lebenskrise sucht und bei der WM die Goldmedaille erringen will. Aus dieser reizvollen Grundidee entsteht hier trotz frankophoner All-Star-Besetzung allerdings letztlich ein arg berechenbarer, aber recht unterhaltsamer Film.

    Die ehemalige Profi-Synchronschwimmerin und trockene Alkoholikerin Delphine (Virginie Efira) leitet ein neu gegründetes Männerteam, dessen Mitglieder allesamt in tiefen Krisen stecken. Da ist etwa Bertrand (Mathieu Amalric), der seit zwei Jahren wegen schwerer Depressionen ohne Job dasteht und zum Frühstück Tabletten in die Cornflakes mischt als wären es Smarties. Laurent (Guillaume Canet) wiederum hat ein schweres Aggressionsproblem und wenig Geduld mit seinem stotternden Sohn, während der windige Unternehmer Marcus (Benôit Poelvoorde) chronisch pleite ist. Der Möchtegern-Rockstar Simon (Jean-Hugues Anglade) haust in einem Wohnwagen und die beiden Immigranten Avanish (Balasingham Thamilchelvan) und Basile (Alban Ivanov) sprechen kaum ein Wort Französisch, fühlen sich in diesem Team von Außenseitern aber pudelwohl. Als Poolmanager Thierry (Philippe Katerine) zufällig herausfindet, dass bald eine Weltmeisterschaft im Synchronschwimmen stattfindet, will die Truppe trotz diverser Widerstände unbedingt daran teilnehmen…

    „Ein Becken voller Männer“ schwimmt ganz in der Tradition des typisch britischen Feel-Good-Films „Ganz oder gar nicht“ – allerdings mit stark erhöhter französischer Sprechgeschwindigkeit. Hier wie dort versammelt sich eine Bande Verlierer, die in einer für die meisten Männer ungewohnten Umgebung nach neuem Selbstvertrauen sucht. Und obwohl Regisseur Lellouche häufig auf leichtfüßigen Humor und körperbetonte Schenkelklopfpointen setzt, gibt es in „Ein Becken voller Männer“ ähnlich wie bei den Arbeitslosen in „Ganz oder gar nicht“ eine dramatische Ebene, auf der die Probleme der großen Jungs mit mal mehr (bei Amalric, Canet und Anglade) und mal weniger (bei Poelvoorde und Katerine) Ernsthaftigkeit und Präzision geschildert werden.

    Und so wechselt der Erzählton auch regelmäßig, es wird gelacht – mit und leider auch über die Figuren (wie über das Aussehen von Poolmanager Thierry), aber schon in der nächsten Szene werden schwere Themen wie Depression, Alkoholismus und finanzieller Ruin verhandelt. Diese Übergänge geraten zuweilen arg abrupt und sorgen für erzählerische Unwuchten. Aber bei aller Heiterkeit, die die auch durch den launigen Retro-Soundtrack mit Songs wie „Everybody Wants To Rule The World“ (von Tears For Fears), „Easy Lover“ (von Phil Collins & Philip Bailey) oder „Physical“ (von Olivia Newton-John) befeuert wird, zieht Lellouche das Männer-Synchronschwimmen nie ins Lächerliche, sondern entlarvt im Gegenteil die Skeptiker als engstirnig und moralisch unreif.

    Delphines ungewöhnliche Truppe hat einfach nur Spaß am Sport und zelebriert ihn regelrecht. Das hat seinen eigenen komödiantisch-märchenhaften Charme – natürlich hätte in der Realität eine solche Mannschaft von eher unförmigen Anfängern nicht den Hauch einer Chance, bei einer Weltmeisterschaft um die Goldmedaille zu kämpfen. Aber darum geht es selbstverständlich nicht, sondern um die Figuren, wie sie über den Umweg des gemeinsamen Sports zurück oder gar erstmals ins Leben finden.

    Mit seiner Spielzeit von zwei Stunden ist „Ein Becken voller Männer“ um einiges zu lang, vor allem im Mittelteil hätte der Film etwas Straffung vertragen können, bevor im letzten Akt bei der Weltmeisterschaft der verdiente Triumphmodus läuft und das Publikum mit einem befriedigenden warmherzigen Finale belohnt wird. Warum Lellouche aber seine weibliche Hauptfigur Delphine mitten im Film für längere Zeit abtauchen lässt (ja, Filmalkoholiker haben natürlich immer Rückfälle!), bleibt rätselhaft. Zwar tritt mit der übellaunig-strengen, im Rollstuhl sitzenden Amanda (Leila Bekhti) eine rüde Vertretung an ihre Stelle und verteilt mit Vorliebe (per Running Gag) Hiebe an die Teammitglieder, aber dieser erzählerische Bruch wirkt unnötig und wie ein fadenscheiniger Vorwand, um die wenig überzeugende Figur Amanda mit Gewalt auch noch irgendwie unterzubringen.

    Fazit: Die Leichtigkeit und den umwerfenden Charme des britischen Vorbilds „Ganz oder gar nicht“ erreicht Gilles Lellouche mit „Ein Becken voller Männer“ nicht, aber über weite Strecken ist seine etwas unrunde, warmherzige Feel-Good-Tragikomödie unterhaltsam.

    Wir haben „Ein Becken voller Männer“ bei den Filmfestspielen in Cannes 2018 gesehen, wo er im offiziellen Programm außer Konkurrenz gezeigt wurde.

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