„Ich mag Trickfilme, in denen Leuten das Piano auf den Kopf fällt. Das scheint mir ziemlich realistisch“: Das Zitat stammt von der texanischen Regiedebütantin Micah Magee, die sich in ihrem Independent-Drama „Petting Zoo“ entsprechend auch nicht sonderlich für eine präzise ausbalancierte Dramaturgie interessiert. Bei ihr folgen die Schicksalsschläge vielmehr geballt aufeinander wie in einer traurigen Ballade und das macht ihre nicht immer geradlinige oder eindeutige, aber sehr einfühlsame Erzählung vom überhasteten Erwachsenwerden der 17-jährigen Layla letztlich umso berührender: Dieses ungewöhnliche Porträt steckt voller Empathie.
Die kurz vor dem Highschool-Abschluss stehende Layla (Devon Keller) lebt abwechselnd bei ihrem Freund Danny oder bei der Großmutter und arbeitet nebenbei in einem Call-Center, um über die Runden zu kommen. Als sie erfährt, dass sie ein Stipendium an der University of Texas bekommt, ist sie überglücklich, denn das ist ihre Chance, aus dem tristen Vorort von San Antonio auszubrechen. Doch dann folgt ein weiterer Paukenschlag: Layla ist schwanger - und die Eltern (die nur einen Kurzauftritt in anderthalb Szenen haben) versagen der Tochter die für eine Abtreibung notwendige Unterschrift…
„Wir werden das als Familie regeln“ - diese gutgemeinte Parole der Eltern schwebt wie ein Damokles-Schwert über der Zukunft Laylas, die sich in der sie umgebenden texanischen Suburbia-Realität bereits abzuzeichnen scheint: So ist die Familie des Onkels nebenan mit der Kindererziehung klar überfordert und Laylas dauerbedröhnter Freund drängt sich auch nicht gerade als Retter in der Not auf. Eine solche Situation ist in San Antonio übrigens keine Seltenheit, wenig überraschend in einer Stadt, in der noch 2011 in 94 Prozent der öffentlichen Schulen im Aufklärungsunterricht nur eine Verhütungsmethode vorkam: sexuelle Abstinenz!
Unter diesen Voraussetzungen ist es kein Wunder, dass der „Petting Zoo“ San Antonio bei der Geburtenrate weit über dem nationalen Durchschnitt liegt. Die Regisseurin hat selbst einst zu dieser Statistik beigetragen und besitzt daher ein besonderes Einfühlungsvermögen für diese Geschichte und versieht sie dazu mit einer Extraprise Detailgenauigkeit: Wenn Layla sich morgens im Schulbus noch schnell ihre Zähne putzt oder sie nicht für zehn Minuten ohne Freund auskommen kann, wie eine Freundin feststellt, dann sind das alles Facetten von Laylas Überforderung. Und dank der lebendigen Darstellung der Filmdebütantin Devon Keller können wir diese nicht nur verstehen, sondern auch nachfühlen.
Laylas Schwierigkeiten werden nicht beschönigt, trotzdem wird in „Petting Zoo“ keine eindeutige Haltung für oder gegen Abtreibung eingenommen - das würde auch kaum zur recht elliptischen Erzählweise passen, die immer wieder auch neue Perspektiven eröffnet. Micah Magee lädt das Publikum auf sehr intelligente Weise ein, sich eigene Gedanken zum Thema zu machen: So spielen etwa in mehreren Szenen Ameisen eine Rolle und diese Momente verleihen nicht nur den jugendlichen „Ich bin klein und allein“-Gefühlen treffenden Ausdruck. Ähnliches gilt für einige Unterwassersequenzen, die ganz unaufdringlich weitere Interpretationsansätze liefern: „Petting Zoo“ ist überaus persönliches, aber auch im besten Sinne forderndes Kino.
Fazit: Gut durchdachtes Independent-Kino, bei dem es insbesondere am Wegesrand viel zu entdecken gibt: Aufmerksame Zuschauer werden reich beschenkt.