Rainer Werner Fassbinder, der wohl bedeutendste deutsche Regisseur der Nachkriegszeit, wurde lange Jahre im Ausland mehr beachtet als in seiner Heimat. Doch nun, pünktlich zu seinem 70. Geburtstag Ende Mai 2015, erlebt Fassbinder auch hierzulande eine Renaissance: Pierre Gras beschreibt in seinem Buch „Good Bye, Fassbinder!“ den frühen Tod des 1982 mit nur 37 Jahren verstorbenen Regisseurs als Zäsur im deutschen Kino, während im Berliner Martin-Gropius-Bau demnächst eine große Fassbinder-Ausstellung eröffnet und auf der Berlinale im Februar die Hommage „Fassbinder – Lieben ohne zu fordern“ lief. Und nun kommt auch noch Annekatrin Hendels Biografie-Doku „Fassbinder“ in die Kinos. Die ist allerdings durch und durch konventionell: Die Regisseurin lässt die üblichen Verdächtigen die altbekannten Anekdoten über das Genie und die Exzesse Fassbinders erzählen, hat aber selbst nichts Neues über das Leben oder das Werk des Regisseurs zu sagen. Als erste Einführung ist der Film somit okay, mehr aber auch nicht.
Gerade der Vergleich zu „Anderson“, Hendels spannendem Film über den Poeten und Stasi-Spitzel Sascha Anderson aus dem vergangenen Jahr, offenbart die Schwächen von „Fassbinder“: Gelang es der Regisseurin dort noch durch eine unmittelbare Konfrontation des Protagonisten mit seiner Vergangenheit, die Abgründe und die Ambivalenz von Freundschaften und Verrat zu ergründen, begnügt sie sich in dieser Auftragsarbeit (initiiert von Fassbinders letzter Lebensgefährtin und nicht unumstrittener Nachlassverwalterin Juliane Lorenz) mit der peniblen Nachzeichnung von Leben und Werk: Brav wird jeder der 44 Filme des Titelhelden erwähnt, während Ausschnitte aus Theaterstücken das Bild des Universalgenies ergänzen. Einige Archivinterviews mit Fassbinder sind zu sehen, vor allem aber Gespräche mit Mitstreitern (oder besser: Fassbinder-Überlebenden): Irm Hermann, Hanna Schygulla, Harry Baer, Margit Carstensen und Volker Schlöndorff kommen zu Wort, doch Hendel gelingt es nicht, den Zeitzeugen Sätze zu entlocken, die sie nicht schon zigmal so ähnlich geäußert haben. Die Dokumentation ist brav und bieder und passt damit so gar nicht zu ihrem exzessiven und zugleich doch auch so sensiblen Protagonisten.
Fazit: Als erste Einführung in Leben und Werk von Rainer Werner Fassbinder ist Annekatrin Hendels Dokumentation „Fassbinder“ womöglich zu gebrauchen. Aber schlussendlich ist ihr Film zu konventionell und behäbig, um dem Werk des legendären Regisseurs gerecht zu werden.