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    Mistress America
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,0
    stark
    Mistress America
    Von Christoph Petersen

    Die Komödie „Mistress America“ ist nach „Frances Ha“ der zweite Film von Noah Baumbach, in dem seine Freundin Greta Gerwig die Hauptrolle spielt, auch das Drehbuch hat das Paar wieder gemeinsam verfasst. Und obwohl nach Frances mit Brooke diesmal erneut eine junge Frau im Zentrum steht, die eigentlich schon zu alt ist, um noch ohne realistischen Plan in den Tag hinein zu leben, entpuppt sich „Mistress America“ auf gewisse Weise als das exakte Gegenstück zu seinem Quasi-Vorgänger: Denn wo Frances jeglichen Antrieb vermissen ließ, schäumt Brooke nun regelrecht über vor kreativer Energie (in ihrem Traumrestaurant gibt es nicht zwei gleiche Teller) - und das wirkt sich auch auf den Erzählton aus. Baumbach und Gerwig lassen sich von ihrer Protagonistin ebenso mitreißen wie die anderen Figuren um sie herum, ohne dabei den tragischen Kern der Geschichte zu übersehen. So macht das Autorenduo zwar sehr deutlich, dass es wohl besser für alle wäre, wenn es mehr Menschen wie Brooke gäbe, die voll naiver Begeisterung an den Times Square ziehen, weil sie glauben, es wäre der hippste Ort in New York. Nur wissen Baumbach und Gerwig eben auch, dass es mit solchen sprunghaften Träumern meist nicht gut endet und sparen die Tragik, die darin liegt, nicht aus.

    Weder das Literaturstudium noch das Leben in New York hat sich Tracy (Lola Kirke) derart herausfordernd vorgestellt. Statt jetzt richtig durchzustarten, fühlt sie sich in ihren ersten Wochen am College durchgängig wie auf einer Party, auf der sie niemanden kennt. Aber dann lernt sie ihre am Times Square lebende Bald-Stiefschwester Brooke (Greta Gerwig) kennen und ist sofort fasziniert von der ungestümen Endzwanzigerin, die sich als Spin-Trainerin, Nachhilfelehrerin und Teilzeit-Sängerin durchschlägt, während sie nebenbei noch an der Finanzierung ihres Traums vom eigenen Restaurant arbeitet. Tracy wird regelrecht mitgerissen von Brookes unbändiger Energie (sie hat sich sogar das Wort „Autodidakt“ selbst beigebracht), auch wenn die Studienanfängerin im Innersten weiß (und heimlich eine Kurzgeschichte darüber schreibt), dass Brookes Vorhaben wohl irgendwann alle im Sande verlaufen werden. Die scheint eben einfach einer dieser Menschen zu sein, die erst alle mit ihrer unglaublichen Begeisterungsfähigkeit mitziehen, dann aber an den Herausforderungen des Alltags scheitern…

    X can’t be pinned down. That’s the beauty of it.

    - Brooke erklärt ihrem Nachhilfeschüler die Schönheit der Mathematik, spricht in Wahrheit aber über sich selbst.

    Nach dem melancholischen Schwarz-Weiß in „Frances Ha“ hat „Mistress America“ nun einen knalligen Retro-Vibe. Nach dem Pop-Art-Vorspann dauert es einige Minuten, bis jemand sein Handy zückt und klar wird, dass der Film heute und nicht tatsächlich in den 1970ern angesiedelt ist. Greta Gerwig scheint sich einmal mehr gleichsam selbst zu spielen, jedenfalls agiert sie mit einer solchen Natürlichkeit und einem solchen Drive, dass man sich Brookes Enthusiasmus für eigentlich alles kaum entziehen kann. Neben ihr ist Newcomerin Lola Kirke („Gone Girl“) als Tracy eine echte Entdeckung – sie lässt sich nicht zur bloßen Stichwortgeberin degradieren und setzt der aufgedrehten Gerwig mit tief-lispeliger Stimme erstaunlich viel eigenen Charme und Persönlichkeit entgegen. Später, als sie sich schon ein bisschen besser kennen und ein Teil der Restaurant-Finanzierung wegen fahrlässigen Fremdküssens weggebrochen ist, unternehmen die beiden Protagonistinnen einen Road Trip zu Brookes Erzfeindin Carey (Charlie Gillette), die ihr einst die Katzen, den Verlobten und ein T-Shirt-Design geklaut hat – und von da an entwickelt sich „Mistress America“ endgültig zu einer scharfzüngig-intellektuellen Screwball-Comedy, die so temporeich, überraschend und saukomisch ist, dass selbst Woody Allen zu seinen besten Zeiten auf sie hätte stolz sein können.

    Fazit: Der Nachfolger-im-Geiste von „Frances Ha“ ist zwar sehr viel leichtfüßiger erzählt, deshalb aber nicht minder scharfsinnig beobachtet - und zudem unheimlich komisch.

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