An den US-Kinokassen ist „The Founder“ gefloppt – und ganz ehrlich: Das wundert uns gar nicht (und damit spielen wir nicht auf die Qualität des Films an). Die meisten gediegen gefilmten Hollywood-Biopics, die ja in aller Regel auch mit mindestens einem Auge Richtung Oscars schielen, funktionieren dramaturgisch kaum anders als ein klassischer Sportlerfilm: Ein talentierter Mensch setzt sich gegen alle Widerstände durch und hat schließlich Erfolg (und manchmal stürzt er dann auch wieder ab). Der Zuschauer identifiziert sich mit dem Protagonisten und drückt ihm im besten Fall beide Daumen – das ist nun auch bei John Lee Hancocks „The Founder“ über die Gründung der Burgerkette McDonald’s nicht anders. Nur wird dem Zuschauer hier nach etwa der Hälfte des Films zunehmend bewusst, dass der Typ da auf der Leinwand, mit dem er gerade die ganze Zeit mitgefiebert hat, in Wahrheit ein Egoist, ein Betrüger und generell ein ziemliches Arschloch ist! Das führt zu einem viel interessanteren Effekt, als ihn die allermeisten herkömmlichen Malen-nach-Zahlen-Biopics erzeugen – nur haben viele Kinogänger wohl leider einfach kein Interesse daran, auch mal vor den Kopf gestoßen zu werden.
1954 schlägt sich Ray Kroc (Michael Keaton) als Vertreter von Multi-Mixern mehr schlecht als recht durch. Aber dann erfährt er von seiner Sekretärin, dass ein einzelnes Restaurant gleich sechs seiner monströsen Mixer geordert hat – damit ließen sich gleich 30 (!) Milchshakes auf einmal herstellen. Ray ist so perplex ob dieser Bestellung, dass er direkt durch das halbe Land fährt, um sich die Burger-Bude mit eigenen Augen anzusehen – und tatsächlich hat sich vor dem Restaurant der Brüder Dick und Mac McDonald (Nick Offerman & John Carroll Lynch) eine lange Schlange gebildet. Die bewegt sich jedoch in einem immensen Tempo fort – so etwas hat Ray noch nie zuvor erlebt. Als er später von den Brüdern eine Führung durch ihr vollkommen auf Effizienz ausgerichtetes Schnellrestaurant erhält, überzeugt Ray sie davon, dass er genau der Richtige sei, um ihr System und die Marke „McDonald’s“ in den ganzen USA als Franchise groß herauszubringen…
Wenn Dick und Mac McDonald von der Entwicklung ihres Schnellrestaurants erzählen, sehen wir in einer Rückblende, wie sie die Umrisse der einzelnen Stationen vom Burgergrill bis zur Salatbestückung mit Kreide auf einen Tennisplatz zeichnen und anschließend bezahlte Helfer pantomimisch das Essen zubereiten lassen. Bei den ersten Versuchen laufen sich die wuselnden Burgerbrater noch konsequent gegenseitig über den Haufen – aber der perfektionistische Dick ändert so lange die Anordnung der Stationen, bis alles reibungslos ineinandergreift. Kurz gesagt: Die erfinderischen Brüder wären typische Kandidaten für ein ganz normales Biopic über den amerikanischen Traum – zumal sie Coca Cola als Sponsor für die Speisekarten ablehnen und an einer Stelle erklären: „McDonald’s ist nicht interessiert an schnödem Kommerz!“ Aber Dick und Mac sind nun mal nicht die Protagonisten von „The Founder“, sondern nur zwei skurril-sympathische Nebenfiguren…
… während im Zentrum der Mann steht, der sie und ihre Ideale verraten und ihnen die Marke „McDonald’s“ unter dem Hintern weggeklaut hat. Dabei ist seine Vom-Tellerwäscher-zum-Millionär-Story lange Zeit echt sympathisch: Ray hat sogar die geniale Erkenntnis, dass er eben nicht seine reichen Golfkumpels überreden sollte, neue McDonald’s-Filialen zu eröffnen, weil die nur eine simple Geldanlage suchen und sich deshalb kaum anstrengen. Stattdessen holt er motivierte Leute aus der Arbeiterschicht ins Boot, die all ihre Energie in ihr eigenes McDonald’s-Restaurant stecken. Aber während zu Beginn lediglich seine fragwürdigen Motivationsschallplatten einen zwiespältigen Eindruck hinterlassen, werden Rays eigennützige Entscheidungen zunehmend abscheulicher. Michael Keaton spielt den verbissenen Vertreter mit demselben unnachgiebigen Ehrgeiz wie im vergangenen Jahr den Kinderschänder jagenden Boston-Globe-Reporter im Oscarsieger „Spotlight“ – und dieses professionelle Charisma, dem man eigentlich blind folgen möchte, macht seine Figur sogar noch ambivalenter (und damit auch aufregender). Nur haben die Macher offenbar irgendwann Angst vor der eigenen Courage bekommen, denn die zweite Hälfte, in der Ray eine Affäre mit der Frau eines Geschäftspartners eingeht und die McDonald-Brüder übers Ohr haut, wirkt um einiges gehetzter als die erste. Offenbar wurde vom Arschloch-Ray im Schnitt noch einiges rausgekürzt – während vom sympathischen Ray des Anfangs alles drin geblieben ist…
Fazit: „The Founder“ ist ein dramaturgisch und handwerklich auf den ersten Blick absolut herkömmliches Biopic, allerdings bekommt die Ode auf den amerikanischen Traum zunehmend etwas faszinierend Verstörendes, weil sich Regisseur John Lee Hancock zwar formal an alle Regeln des Genres hält, aber zugleich einen Protagonisten ins Zentrum rückt, dem das Publikum – zumindest ab der Mitte des Films - mal so gar nicht die Daumen drückt.