So oft diese Beschwerde auch schon geführt wurde, der Befund bleibt gültig: Deutsches Genrekino, das mittlerweile gerade in kleineren Produktionen wieder durchaus lebendig scheint, hat es schwer, sich gegen die internationale Konkurrenz durchzusetzen. Es sei dahingestellt, ob dies tatsächlich an der Qualität der Filme liegt oder nicht vielmehr zumindest teilweise an einem gewissen Dünkel von Kritik, Sendern oder Verleihern. „Radio Silence - Der Tod hört mit“ von Marco J. Riedl und Carsten Vauth jedenfalls ist auch nur ein eintägiges (oder besser: -nächtiges) Leinwandleben während der „Horror Night“ am 2. Januar 2015 in 36 deutschen Kinos vergönnt, ehe ab dem 12. Februar dann DVD, Blu-ray und Download erhältlich sind. Und auch ganz ohne Dünkel sei festgestellt: Mit ihrem teils augenzwinkernd trashigen, teils psychologisch überambitionierten Horrorthriller haben die beiden in der Tat kein Meisterwerk abgeliefert.
Eine junge Frau fährt im breiten Ami-Schlitten durch die weite Steppe, im Autoradio spricht Doc Rock (Markus Knüfken), der aus seinem Keller einen Piratensender betreibt und dort mit den Anrufern über Identität und Motivation des schaurigen Serienkillers „Nachtschlitzer“ (Charles Rettinghaus) spekuliert. Dieser befindet sich bald neben der Frau im Wagen – und wenig später in Doc Rocks Leitung. Kann der großmäulige Moderator das Leben von Tara (Jasmin Lord) retten, einer weiteren Unschuldigen? Während Doc Rock sich auf ein gefährliches Katz-und-Maus-Spiel mit dem Killer einlässt, sucht der abgehalfterte Ermittler Brix (Roland Nitschke) auf konventionellere Weise nach dem Täter…
Marco J. Riedl und Carsten Vauth haben ihren gleichnamigen Kurzfilm von 2010 hier zu einer sympathischen, wenn auch reichlich überladenen Bricolage aus Motiven und Hommagen ausgebaut. Die Referenzen, die sie dabei streuen, erinnern weniger an konkrete filmische Vorbilder – auch wenn sich hier neben Oliver Stones „Talk Radio“ (1988) etwa auch Bruce McDonalds „Pontypool“ (2008) und zahlreiche Slasher-Phantasien nennen ließen. Eher geht es ihnen um die Beschwörung einer mythensatten sozialen und geographischen Landschaft, die dann auffälligerweise eben doch nicht in Deutschland liegen darf. Alle reichlich haarsträubenden Entwicklungen des Plots entfalten sich vor dem Hintergrund einer so ort- wie zeitlosen amerikanischen Kleinstadt, wo man in der obligatorischen Tankstelle die Euronoten zählt und wo die Presseerzeugnisse ganz selbstverständlich in deutscher Sprache erscheinen. Dazu knistern die herrlich analogen Funkwellen in klobigen Radioklötzen und der mysteriöse Klatschreporter „Skorpion“ haut seine dicken Schlagzeilen in der Kneipe am Laptop in die Tasten.
Dieses Gewirr an sprachlichen, kulturellen und genrehistorischen Versatzstücken erinnert an den ähnlich eigenwilligen Motivmix der deutschen Edgar-Wallace-Hommagen der 1960er Jahre. Die blutige Kolportage hat das Regie-Duo in eine handwerklich durchaus solide Inszenierung gepackt, es gibt sogar ein paar wenige Helikopter-Aufnahmen und Kranfahrten über das Kleinstadtpanorama sowie eine offensiv bürgerliche Hausfassade. Durch die hypnotisch beschleunigte Montage der am stärksten mit Emotionen aufgeladenen Szenen, in denen die unterschiedlichen Schauplätze vermischt werden, gelingen zudem äußerst spannende Miniaturen gelingen, die auch die eine oder andere unlogische Wendung überdecken.
Es war Riedl und Vauth allerdings nicht genug, einen saftig überdrehten Thriller zu drehen und so geraten sie vor allem gegen Ende heftig ins Psychologisieren. Die Abgründe des Spießertums sollen da aufgerissen, das Monster im Normalo hervorgezerrt werden – was eigentlich zu den faszinierendsten Motiven des Genres gehört. Aber da die Geschichte hier nicht aufs Innen konzentriert ist, sondern immer wieder auf Äußeres gesetzt wird (wie in so manchem entbehrlichen Nebenstrang der Handlung), laden sich die psychologische und die sinnliche Spannung nicht aneinander auf, vielmehr gerät „Radio Silence“ zunehmend zu einem teils irritierenden, teils lähmenden Mischmasch.
Fazit: Marco J. Riedl und Carsten Vauth haben einen motivisch überladenen Serienkiller-Thriller inszeniert, der einige spannungsvolle Momente aufweist. Der Versuch, den kolportagehaften Stoff auf eine schlüssige sozialpsychologische Ebene zu heben, misslingt jedoch.