Bisweilen schallt in „4 Könige“ das Echo des Klassikers „Einer flog über das Kuckucksnest“ durch die in Krankenhauslicht getauchten Flure, vor allem, wenn die antiautoritäre Herangehensweise des Psychiaters Dr. Wolff bei der Krankenschwester Simone (Anneke Kim Sarnau) auf wenig Gegenliebe stößt. Aber Regisseurin Theresa von Eltz, die mit diesem als Kleines Fernsehspiel des ZDF entstandenen Jugenddrama ihr beeindruckendes Kinodebüt gibt, setzt nicht auf satirisch überspitzte Dramatisierungen wie ihr berühmter Kollege Milos Forman. Sie verfällt auch nicht in einen Ton feierlicher Betroffenheit, der bei einem Film über vier Jugendliche, die Weihnachten in der Psychiatrie verbringen, durchaus naheliegt. Sie konzentriert sich vielmehr ganz auf ihre Figuren und deren Interaktion, so verleiht sie dem Film mit Unterstützung ihres wunderbaren Ensembles eine große innere Spannung: Ohne übertriebene Psychologisierung entsteht eine authentisch wirkende Geschichte, die einen intensiven erzählerischen Sog entfaltet.
Über Weihnachten ist die Jugendpsychiatrie unter der Leitung von Dr. Wolff (Clemens Schick) wie ausgestorben. Lediglich vier der Patienten verbringen die Feiertage mit dem Psychiater und wenig anderem Personal in der Klinik. Die Drogenpsychose von Lara (Jella Haase) äußert sich in ihrer sexuell aufgeladenen Distanzlosigkeit. Das krasse Gegenteil zu dem extrovertierten Mädchen ist der Georgier Fedja (Moritz Leu), der den Blick wegen seiner Angststörung immer auf den Boden senkt und ebenso schweigsam ist wie Alexandra (Paula Beer), die sich das Leben nehmen wollte. Timo (Jannis Niewöhner) schließlich sollte eigentlich in der geschlossenen Abteilung sitzen, da er seine Gewaltausbrüche nicht im Griff hat. Dr. Wolff, den die Teenager nur „Wolfi“ nennen, setzt sein Vertrauen in die Gruppe und verzichtet auf starre Reglementierungen. Ob er damit die richtige Entscheidung trifft, schwebt als Frage über den folgenden Tagen.
„4 Könige“ ist ein Film über Gruppendynamik und Zusammenhalt. Die Jugendlichen öffnen sich zwischen zermürbenden Besuchen der Eltern, therapeutischen Gesprächen und Panikattacken zaghaft, wozu Dr. Wolff geschickt und sensibel beiträgt, indem er jedem der vier Patienten einen Wichtelpartner zuteilt, der vor laufender Kamera die offene Frage „Was vermisst du an Weihnachten?“ beantworten soll. Der Mediziner bringt einen Austausch in Gang, das Wechselspiel aus gegenseitigen Fragen und Antworten in seinen Therapiegesprächen wird gleichsam auf die gesamte Erzählstruktur des Films übertragen. Die exzellenten Darsteller um Clemens Schick („Das finstere Tal“), Jannis Niewöhner („Saphirblau“, „Ostwind 2“) und die als Kultfigur Chantal aus „Fack ju Göhte“ bekannte Jella Haase, die nach ihrem Auftritt in „Kriegerin“ erneut beweist, dass sie auch die differenzierte Charakterstudie beherrscht, lassen aus der dramaturgischen Versuchsanordnung eine lebensnahe Erzählung von großer emotionaler Wahrhaftigkeit werden.
Hoffnungen und Sehnsüchte, Verzweiflung und Wut stecken in dieser schnörkellos erzählten und unaufgeregt, aber zielbewusst inszenierten Geschichte. Theresa von Eltz hält sich weitgehend zurück und erreicht mit gezielten Akzenten - etwa wenn sie in dramatischen Schlüsselmomenten Zeitlupen einsetzt – umso stärkere Wirkung. Die Regisseurin überzeugt mit sicherer Hand für die Musikauswahl zwischen Hip-Hop und dezenten Klavierklängen genauso wie mit ihrem Gespür für wohl platzierte Schnitte. Letzteres zeigt sich etwa in einer Szene, in der man sich als Betrachter zunächst in einem Einzelgespräch zwischen Dr. Wolff und Timo wähnt, ehe ein Schnitt die Anwesenheit der anderen Patienten enthüllt. Mit dieser simplen Einstellungsfolge wird nicht nur der Zusammenhalt der Gruppe ins Bild gefasst, sondern auch ein sinnfälliger Ausdruck für das komplexe Spannungsverhältnis zwischen Distanz und Nähe gefunden, das hier auf mehreren Ebenen eine wichtige Rolle spielt.
Fazit: Ein fesselnd gespieltes und elegant inszeniertes Drama über vier Jugendliche und ihr gemeinsames Weihnachten in einer psychiatrischen Anstalt.