Einer der Höhepunkte der Berlinale 2015 zumindest was die Aufmerksamkeit betrifft, verspricht die lang erwartete Verfilmung des Bestsellers „Fifty Shades of Grey“ zu werden, der mit seiner BDSM-Geschichte Peitschen und Fesseln, Masochismus und Sadismus salonfähig machte – oder besser gesagt das, was Boulevardpresse und Frauenzeitschriften dafür halten. Einen wesentlich authentischeren Blick auf die Welt des BDSM wirft Cheyenne Picardo in ihrem Debütfilm „Remedy“, der auf autobiografischen Erlebnissen der Regisseurin basiert. Als junge Studentin geriet Picardo teils durch Zufall, teils aus Neugier in die Welt der BDSM (die Buchstaben stehen für Bondage & Discipline, Dominance & Submission, Sadism & Masochism, also eine bunte Mischung oft etwas härterer sexueller Spielarten), arbeitete als Domina und später als Submissive. In einer losen Folge aus nie voyeuristischen Sexszenen und Alltagsmomenten ihrer Hauptfigur Remedy entwirft Picardo einen interessanten, durch seine betont undramatische Form aber auf Dauer auch ermüdenden Einblick in eine Welt der Sexualität, die von innen langweiliger wirkt als von außen.
Als Mistress Remedy bezeichnet sich die ansonsten namenlose Frau (Kira Davies), die als Alter Ego der Regisseurin fungiert. Anfangs arbeitet sie in einem Domina-Studio als Dominatrix, peitscht Kunden oder erniedrigt sie nach deren Wünschen, doch zunehmend ist Remedy auch im Bereich der submissiven Sexualität tätig und gerät immer stärker an ihre (sexuellen) Grenzen. Dieser psychologische Wandel ist es, um den es Cheyenne Picardo in ihrem Debütfilm geht. Dabei werden die zunehmend extremen Erfahrungen von Remedy nie verbalisiert, sondern sollen sich ausschließlich über die Mimik der Hauptdarstellerin vermitteln. Gespräche mit anderen Prostituierten laufen dagegen eher banal ab, die billig wirkende Digital-Ästhetik tut ihr Übriges um „Remedy“ wie einen Nachfolger des New Yorker Underground-Kinos erscheinen zu lassen, deren Vertreter sich ebenfalls mit sexuellen Extremen beschäftigen. Doch da Picardo bewusst auf verbalen oder visuellen Voyeurismus verzichtet, bleibt am Ende nicht viel mehr übrig als ein vermutlich authentischer Blick in die Welt der professionellen BDSM – der allerdings eine nicht besonders aufregende Welt offenbart.
Fazit: In ihrem Debütfilm „Remedy“ wirft Cheyenne Picardo einen betont unvoyeuristischen Blick auf die Welt der BDSM, der mit seinen langen, dezidiert unerotischen Sexszenen auf Dauer eher ermüdet als echte Einblicke liefert.