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    Die Asche meiner Mutter
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,5
    hervorragend
    Die Asche meiner Mutter
    Von Carsten Baumgardt

    „Schlimmer als die normale unglückliche Kindheit ist die unglückliche irische Kindheit, und noch schlimmer ist die unglückliche irische katholische Kindheit.“ Mit diesen deprimierenden einführenden Worten des Erzählers ist die Quintessenz von Alan Parkers Drama „Die Asche meiner Mutter“ schon zu Beginn klar herausgefiltert. Die Verfilmung von Frank McCourts autobiographischem Welt-Bestseller glänzt durch überragende darstellerische Leistungen, atmosphärische Dichte und zeichnet eine ausgesprochen enge Werktreue aus.

    Brooklyn, 1935: Die irischen Auswanderer Malachy (Robert Carlyle) und Angela (Emily Watson) sind bitterarm. Oft reicht es nicht, ihre fünf Kinder richtig zu ernähren. Ihren Lebensmut haben sie trotzdem nicht verloren, der gerät erst ins Wanken, als der jüngste Spross, die vom Vater abgöttisch geliebte, einzige Tochter, stirbt. Die Zukunft in Amerika ist vorbei, bevor sie richtig begonnen hat - die McCourts gehen zurück nach Irland. Doch dort erwartet sie wahrlich kein besseres Leben. Sie hausen in einem feuchten Loch gegenüber der Kloake, in das der permanente Regen Limericks die untere Etage fast ständig unter Wasser setzt. Der Vater, der als starrköpfiger, protestantischer Nordire sowieso einen schweren Stand hat, findet keine Arbeit und wenn, versäuft er das Geld in der nächsten Kneipe. Als auch noch die Zwillingsbrüder den katastrophalen Lebensumständen zum Opfer fallen, zerbrechen die Eltern endgültig. Allein der älteste Sohn Frankie (Joe Breen, Ciaran Owens, Michael Legge) versucht, die Familie zusammenzuhalten oder wenigstens nicht mit ihr unterzugehen.

    1997 veröffentlichte der pensionierte Lehrer Frank McCourt im stolzen Alter von 65 Jahren seinen autobiographischen Debüt-Roman „Die Asche meiner Mutter“. Das zwischen Elend, Tragik und Lebensfreude pendelnde Meisterwerk wurde weltweit knapp sieben Millionen Mal verkauft und schließlich mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichnet. „Das Buch ist unsere Bibel, der Grund, warum wir überhaupt hier sind“, sagte Regisseur Alan Parker („The Commitments“, „Mississippi Burning“) am Set über seine Motivation. Und dementsprechend fällt auch seine Verfilmung aus. Der Brite trifft exakt den Ton McCourts, der als Berater fungierte, und liefert eine vorbildlich werkgetreue Adaption ab. Sein Film atmet pure, authentische Atmosphäre. Die Kulissen wirken unter dem immerwährenden Dauerregen täuschend echt, man fühlt sich in ein anderes Land und eine andere Zeit versetzt.

    Dass die beiden Hauptdarsteller Emily Watson („Breaking The Waves“) und Robert Carlyle („Ganz oder gar nicht, „Trainspotting“) glänzende Vorstellungen abgeben, ist nicht weiter verwunderlich. Die eigentliche Überraschung ist der Auftritt des jüngsten Frankie: Joe Breen, der sein Leinwand-Debüt gibt, ist einfach ein Naturtalent. Mit enormer Ausdrucksfähigkeit und großem, grimmigen Charisma zieht der Junge den Zuschauer in den Bann der Geschichte. Wie immer bei Biographien ist es schwierig, der Handlung einen filmgerechten Spannungsbogen zu verpassen. Parker vernachlässigt diese Komponente jedoch bewusst, ihm geht es vielmehr darum, das Lebensgefühl - einen Trip in die irische Seele - zu vermitteln. Denn trotz allem Elend, und gerade das zeichnen Roman und Film aus, ist „Die Asche meiner Mutter“ von einer anmutigen, aber absolut kitschfreien Warmherzigkeit, die das Leben für Frankie erträglicher macht und den Betrachter an dem Geschehen teilhaben lässt.

    Nur eine Winzigkeit gibt es an Parkers Adaption auszusetzen: Film und Buch sind grundverschiedene Ausdrucksformen, die Notwendigkeit der inhaltlichen Straffung und Vereinfachung ist klar, nur wird der Titel „Die Asche meiner Mutter“ (engl.: „Angela’s Ashes“) nie deutlich. Es geht nicht etwa darum, dass Mutter Angela früh das Zeitliche segnet, sondern um ihre Angewohnheit, aus lauter Frustration und späterer Verwirrtheit, in die verglühte Kaminasche zu murmeln...

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