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    Von glücklichen Schafen
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    Von glücklichen Schafen
    Von Christian Horn

    Mit „Von glücklichen Schafen“ legt Regisseur Kadir Sözen („Kalte Nächte“, „Winterblume“) ein besonnenes Familiendrama vor, das zu gleichen Teilen als Selbstfindungs- und Coming-of-Age-Geschichte angelegt ist. Rund um das Thema „gestörte Kommunikation“ und ein unerhörtes Familiengeheimnis verhandelt Sözen, ein Sohn türkischer Einwanderer, einen Konflikt zwischen Tradition und Moderne und erzählt von der Emanzipation einer türkischen Frau, die sich von den Wertvorstellungen ihres Vaters und ihres Sohnes unter Druck gesetzt fühlt. Insbesondere im etwas schwerfälligen Mittelteil, in dem die Geschichte kaum weiter entwickelt wird, verliert Kadir Sözen allerdings den Fokus seiner Erzählung aus den Augen.

    Die alleinerziehende Türkin Elmas (Narges Rashidi) schlägt sich mit ihrem 16-jährigen Sohn Can (Jascha Baum) und der kleinen Tochter Sevgi (Marlene Metternich) in Köln durch. Die Beziehung der Frau zu ihrem Vater (Vedat Erincin) ist zerrüttet, doch ansonsten kommt die Familie gut zurecht. Ihre Kinder ahnen allerdings nicht, dass Elmas für den Zuhälter Klaus (Benno Fürmann) als Prostituierte anschafft, um die Familie über Wasser zu halten. Als Can zu seinem 16. Geburtstag von seinem besten Kumpel ins Bordell eingeladen wird, empfängt ihn dort ausgerechnet Elmas, die zuvor Cans Kumpel bedient hat. Can ist völlig geschockt, spricht kein Wort mehr mit seiner Mutter und zieht mit der kleinen Schwester zum Opa. Während sich Elmas schwere Vorwürfe macht und ihr Leben neu gestaltet, lernen die Kinder ihren störrischen und zurückgezogen lebenden Großvater kennen, der dadurch immer mehr aufblüht.

    Den erzählerischen Kern des Films bildet die gestörte Mutter-Sohn-Beziehung zwischen Elmas und Can. Als der Sohn nach seiner Entdeckung jeglichen Kontakt zur Mutter kategorisch ablehnt, teilt sich „Von glücklichen Schafen“ in eine Selbstfindungsgeschichte von Elmas, die ihren Job als Prostituierte aufgibt, und eine Coming-of-Age-Geschichte von Can, der die Beweggründe seiner Mutter und die eigene Reaktion zu hinterfragen beginnt. Die stärkste Entwicklung macht dabei Elmas durch. Die religiöse Frau tritt in einer Kirche eine neue Stelle an und findet stückweise zurück in ihre Mutterrolle. Von anfänglicher Scham über ihren geheimen Job im Rotlichtmilieu über Resignation bis zu Wut über das harsche Verhalten des Sohnes reicht das von Elmas durchlebte Gefühlsspektrum. In einer Märchengeschichte, die Elmas für ihre Tochter niederschreibt, reflektiert sie das Erlebte – und damit auch den Film selbst.

    Vor allem die Alltagsbeobachtungen von Regisseur Kadir Sözen stechen dabei als die inszenatorisch gelungensten Szenen hinaus. Die Figuren schweigen sich hier meist nur an. Trotzdem gelingt es dem Regisseur über die Atmosphäre ein Gefühl für die Konflikte der Figuren zu vermitteln. Daneben dominieren in „Von glücklichen Schafen“ allerdings auch immer wieder vor Klischees nur so strotzende Bilder, wie etwa das Bad der Prostituierten nach dem Sex mit einem Freier. Aufgesetzt erscheint auch der mögliche Ehrenmord, der wegen des türkischen Backgrounds der eigentlich mustergültig integrierten Familie plötzlich im Raum steht. Hier wird etwas zwanghaft noch eine weitere Ebene aufgemacht, die im Gesamtkontext mehr als überflüssig wirkt.

    Während Sözen bei den ruhigen Schweigeszenen mit seiner Inszenierung überzeugt, unterstreicht er sonst zu oft die rechte eindeutige Zeichnung der Figuren. Im zu langgezogenen Mittelteil passiert zudem zu wenig, worüber auch die gelungenen Darstellerleistungen nur teilweise hinwegtrösten können. Vor allem die Iranerin Narges Rashidi, die bislang Nebenrollen in Hollywood-Filmen wie „Speed Racer“ und einige Auftritte im Fernsehen absolvierte, überzeugt in der weiblichen Hauptrolle. Der aus „Almanya – Willkommen in Deutschland“ bekannte Vedat Erincin und Benno Fürmann („Die Einsamkeit des Killers vor dem Schuss“) verleihen ihren markanten Nebenfiguren dazu das nötige Profil, während Schauspieldebütant Jascha Baum als enttäuschter und wütender Sohn treffend besetzt wurde.

    Fazit: Gut gespieltes und solide inszeniertes Familiendrama, das im Mittelteil etwas zu langatmig ist.

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