Ferien in Thailand – bei dem Gedanken werden außer Exotik und schöner Landschaft schnell auch Ballermann-Unsitten und Sextourismus assoziiert. Ein Filmtitel wie „Patong Girl“, der etwas unglücklich gewählt und letztlich unzutreffend ist, scheint in eine ähnliche Richtung zu deuten. Doch hat der erste Spielfilm der Dokumentarfilmerin und Kamerafrau Susanna Salonen mit Klischees wenig zu tun – vielmehr werden diese hier kräftig gegen den Strich gebürstet und jeglichem Schubladendenken wird eine Absage erteilt. Das heißt indes nicht, dass sich die dramatische Urlaubskomödie um Culture-Clash und Gender-Switch auf durchgängig hohem Niveau befindet, dafür bleibt Salonen, die auch für das Drehbuch verantwortlich zeichnet, in einigen Punkten zu sehr an der Oberfläche. Aber eine gute Besetzung und die ausgeprägte Bereitschaft, die Perspektive der Einheimischen einzunehmen, sorgen doch für anregende und ungewöhnliche Unterhaltung.
In der offenen Bar ihrer Cousine in Patong auf der thailändischen Insel Pukhet, wird Fai (Aisawanya Amp) von einem Touristen mit Bier übergossen. Felix Schröder (Max Mauff), Gymnasiast aus Lüneburg, kümmert sich daraufhin rührend um sie. Fai findet Felix nett und schlägt ihm vor, am nächsten Tag gemeinsam an den Strand zu fahren. Sie verlieben sich ineinander. Felix´ Familie, mit der er nach Pukhet in den Urlaub gereist ist, nimmt an der Verbindung zunächst offenbar keinen Anstoß. Doch dann versucht der beunruhigte Vater Ulrich (Uwe Preuss) aus Felix´ älterem Bruder Tommy (Marcel Glauche) intime Details der Beziehung herauszukitzeln und Mutter Annegret (Victoria Trauttmansdorff) hält Fai gar für eine Prostituierte, als sie von deren künstlichen Brüsten erfährt. Doch Felix steht zu seiner Freundin und will über die Ferien hinaus bei ihr in Thailand bleiben. Nur hat er weder mit der Besorgnis seiner Mutter noch mit Fais Geschlechtsumwandlung gerechnet.
Dass es hier um Inter- oder Transsexualität gehen könnte, wird zwar früh signalisiert. Doch in den ersten Minuten hält man „Patong Girl“ noch für einen Reiseführer mit Spielhandlung. Ziemlich unmotiviert liest Mutter Annegret aus ihrem schlauen Büchlein für Touristen vor, Thailand sei „ein Land der drei Geschlechter“. Fasziniert schauen sich die Schröders eine opulente Bühnenshow mit „Ladyboys“ an, als gebe es so etwas Ähnliches nicht auch in Hamburg zu sehen, nur ein paar Kilometer nördlich von ihrer Heimatstadt. Warum sich die Familie ausgerechnet Thailand als Ferienziel ausgesucht hat, wenn der käufliche Sex, der zum Straßenbild gehört, ständig Streitthema zwischen den Eheleuten ist, erhellt sich auch später nicht und die Figur des älteren Bruders bleibt bis zum Ende reichlich blass. Die dramaturgische Ausarbeitung bleibt insgesamt etwas grob und zugleich oft rudimentär, hier ist durchaus zu spüren, dass Regisseurin Salonen bisher auf Dokumentationen spezialisiert war.
Die Filmemacherin konzentriert sich darauf, Schicht für Schicht landläufige Vorurteile abzutragen. Im Einzelnen lauten die Lektionen: Weder sind alle jungen Thailänderinnen Prostituierte noch entstammen sie unbedingt einer armen Reisbauernfamilie. Ebenso wenig lassen sie sich alle von Eltern oder Großeltern gängeln, sondern viele pochen auf ihre Unabhängigkeit. Die weißen Männer im Land stehen auch nicht ausnahmslos auf gertenschlanke Thaimädchen, die halb so alt sind wie sie. Auf der Suche nach Felix darf Annegret diese unerwartete Erkenntnis auskosten, während ihr Mann Ulrich zu Hause „die Blumen gießt und die Schildkröte füttert“. Hier wird den bekannten Klischees über Land und Leute ein unabhängig von seiner empirischen Triftigkeit wohltuend anderes Bild von Thailand entgegengesetzt – diese ungewohnte Sichtweise weckt nicht nur Sympathien, sondern entlarvt indirekt und nebenbei auch sonst häufig unreflektiert wiedergekäute Stereotypen.
Die Überzeugungskraft dieser etwas anderen Urlaubskomödie ist in erster Linie auf die präzise und authentische Schilderung des Zusammenpralls der Kulturen zurückzuführen. Dazu gehört etwa, dass hier alle Figuren wenn möglich ihre eigene Muttersprache benutzen und sich sonst auf Englisch verständigen (wobei Niveau und Akzent naturgemäß sehr unterschiedlich ausfallen). Salonen, die in Asien bereits einige Dokumentarfilme gedreht hat, hat ein Auge für die Eigenheiten des Kontinents und das spiegelt sich auch in der Arbeit mit den Schauspielern wider. Der markante und stets leicht phlegmatisch wirkende Max Mauff („Stromberg – Der Film“) als Felix und die aparte Aisawanya Amp als Fai mögen fast schon zu stark kontrastierende Typen sein. Aber es gelingt ihnen hervorragend, den Schmerz, die Verwirrung und die melancholische Stimmung auszudrücken, die sich einstellen, wenn Liebe auf unbekannte Konventionen und andere unerwartete Hindernisse stößt.
Fazit: Hinter dem lapidaren Titel „Patong Girl“ verbirgt sich ein Film, in dem auf durchaus unterhaltsame und feinfühlige Weise ein Thailand-Bild abseits der gängigen Klischees präsentiert wird.