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    Talea
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    Talea
    Von Ulf Lepelmeier

    Ein zarter Sprössling will gehegt und gepflegt werden, nur so ist er irgendwann in der Lage, Wind und Wetter zu trotzen. Auch junge Menschen bedürfen Liebe und Zuwendung um charakterlich reifen und irgendwann auf eigenen Beinen stehen zu können: So ist „Talea“, das italienische Wort für Sprössling, ein treffender Titel für den Debütfilm der österreichischen Regisseurin Katharina Mückstein. Schließlich geht es in ihrem zwischen Subtilität und Überdeutlichkeit hin und her schwankenden Coming-of-Age-Drama um ein verunsichertes Mädchen, das seinen Platz im Leben sucht und sich dabei ausgerechnet ihre gerade aus dem Gefängnis entlassene Mutter als Vertrauensperson auserkoren hat. Es sind die beiden glänzenden Hauptdarstellerinnen, die den Film letztlich über den Durchschnitt hinausheben und für ein paar denkwürdige Momente sorgen.

    Die 14-Jährige Jasmin (Sophie Stockinger) gilt bei ihren Altersgenossen als Außenseiterin und fühlt sich auch bei ihrer Pflegefamilie nicht wirklich wohl. Das zurückhaltende, zugleich aber auch störrische Mädchen reißt daher einfach aus, um mit ihrer gerade aus dem Gefängnis entlassenen Mutter zusammen zu sein. Doch die überrumpelte Eva (Nina Proll) ist mit der plötzlichen Verantwortung für ihre Tochter, zu der sie seit vielen Jahren keinen Kontakt mehr hatte, überfordert. Im Glauben, dass Jasmins Pflegeeltern über alles Bescheid wissen,willigt sie aber ein, mit ihrer Tochter ein Wochenende auf dem Lande zu verbringen, um sie etwas besser kennenlernen zu können. Die beiden kommen sich schnell näher, auch wenn die ungewohnte Mutterrolle Eva Angst einflösst. Schon bald stellen sich Probleme ein...

    Die reduziert-naturalistisch erzählte Geschichte um eine problematische Wiederannäherung zwischen Mutter und Tochter sowie einen wichtigen Schritt im Erwachsenwerden Jasmins gerät der Regiedebütantin Katharina Mückstein recht absehbar. Zudem ist der mit der Metapher des Nicht-Schwimmen-Könnens der Protagonistin gesetzte Rahmen überdeutlich. Doch immer dann, wenn sich Mückstein von den dramaturgischen Zwängen der Coming-of-Age-Erzählung löst, offenbaren sich die Stärken der Regisseurin, die in einzelnen dialogfreien Szenen hervorragend die emotionale Situation ihrer Protagonistin auslotet. So stechen zwei Sequenzen inszenatorisch heraus: Zum einen eine mehrere Minuten lange Fahrradfahrt Jasmins, bei der sie uneins mit sich selbst und voller Wut über die schroffe Art der leiblichen Mutter ihren aufgestauten Zorn an den Pedalen auslässt, und zum anderen eine Tanzszene, in der alles um die 14-Jährige herum in Dunkelheit ausgeblendet wird und sie sich zumindest für einen kurzen Moment frei und glücklich fühlen kann.

    Die Geschichte über das langsame Kennenlernen zwischen abweisender Mutter und erwartungsvoller Tochter wirkt beizeiten etwas zu bemüht, auch wenn Sophie Stockinger und Nina Proll („September“) ihren Figuren überzeugend die nötigen Konturen verleihen und für einige feinfühlige Momente sorgen. Newcomerin Sophie Stockinger hält bei ihrer Darstellung der große Hoffnungen in ihre unbekannte Mutter setzenden Jasmin gekonnt die Waage zwischen unsicher-schüchternem Mädchen und störrisch-forderndem Teenager. Genauso glaubhaft gestaltet Nina Proll die gänzlich überforderte Mutter, die sich im Gefängnis eine schroffe Attitüde zu allem angeeignet hat. Die gerade erst wieder in Freiheit lebende Eva ist nicht in der Lage, die erwünschte Mutterrolle für Jasmin einzunehmen und verhält sich ihr gegenüber eher wie eine mal liebevolle, mal ablehnende große Schwester, die der 14-Jährigen zwischendurch auch mal einen Drink oder eine Zigarette anbietet. Evas spätere Affäre mit dem Hotelangestellten Stefan (Philipp Hochmair) hinterlässt dagegen einen äußerst forcierten Eindruck und erscheint als Eskalationsquelle für die fragile Mutter-Tochter-Beziehung unnötig. Sind es doch die leisen und unverfälschten Augenblicke zwischen den beiden Hauptfiguren, die dem ruhig gefilmten Drama etwas Besonderes verleihen.

    Fazit: Der erste Spielfilm-Spross von Regisseurin Katharina Mückstein überzeugt weniger mit seinem etwas simpel geratenen Coming-of-Age-Storyverlauf als mit einer feinfühligen visuellen und darstellerischen Umsetzung.

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