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    Die Kunst des Liebens
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,0
    stark
    Die Kunst des Liebens
    Von Andreas Günther

    Die Blätter beginnen zu fallen, das Sonnenlicht ermattet, die Tage werden kürzer. Der Herbst ist da, aber „Posthumous“ vertreibt die Trübsal darüber. Die hinreißende romantische Komödie ist der ideale Film für diese Jahreszeit, einerseits sanft melancholisch, andererseits freudig frühlingshaft. Die US-Amerikanerin Lulu Wang, die bisher nur mit Kurzfilmen hervorgetreten ist, drehte die internationale Produktion nach eigenem Drehbuch mit hochkarätiger amerikanisch-französisch-deutscher Besetzung im Herbst 2012. Der Schauplatz ist Berlin und die Stadt ist neben den charmanten Darstellern die Hauptattraktion dieses schönen Films. Hier wird Berlin überwiegend durch die Augen der weiblichen Hauptfigur als Ort voller kostbarer Überraschungen porträtiert, von den eleganten Restaurants über das verträumte Spreeufer und die aufgegebenen Horchposten des Kalten Krieges bis hin zu den Tanzclubs.

    Maler und Bildhauer Liam (Jack Huston) ist verzweifelt, denn sein Galerist und Agent Daniel (Lambert Wilson) sagt eine geplante Ausstellung wegen mangelnder Nachfrage ab. Erst als die Leiche eines Selbstmörders gefunden wird, den man für Liam hält, schießt der Preis für dessen Werke in die Höhe.  Tatsächlich ist der Künstler jedoch quicklebendig, diesen Umstand verheimlichen er und Mitwisser Daniel jedoch, denn es lockt ein ordentlicher Profit. Liam gibt sich also als sein eigener Bruder aus und besucht frech posthume Ausstellungen seiner Kunst. Die Journalistin McKenzie Grain (Brit Marling), die mit ihrem reichen Lebensgefährten Erik Alder (Alexander Fehling) in Berlin weilt und  begeistert ist von Liams Werken, kommt dem Schwindler jedoch bald auf die Spur und wittert eine tolle Story. Sie sucht Liams Nähe, um ihn entlarven zu können. Aber die langen gemeinsamen Spaziergänge und Exkursionen ins Berliner Szeneleben entwickeln sich anders als geplant…

    Wenn Liam und McKenzie durch die deutsche Hauptstadt flanieren und über Kunst philosophieren und darüber, wie man seinem Leben Bedeutung geben kann, sind diese Gedanken – so geistreich sie auch sein mögen – vor allem Verzierung. Denn unter der rhetorisch feingeschliffenen Oberfläche geht es um die langsame Entfaltung der Gefühle und die ewige romantische Frage: Kriegen sie sich? Mit entzückender Leichtigkeit wird hier die Tradition der großen amerikanischen Komödie von Frank Capra und Howard Hawks, Ernst Lubitsch und Billy Wilder wiederbelebt – bis in das Wechselspiel von heimlicher Liebe und täuschender Pose hinein. So werden MacKenzies kleine Listen, mit denen sie ihr publizistisches Ziel erreichen will, kunstvoll konterkariert. Sei es, dass sie sich wundervoll verplappert: „Ich bin Ihnen nur gefolgt, weil sie so schnell weg waren“, sei es, dass sie unbeschwert auf hoher Parkbank die Beine baumeln lässt, ohne zu bemerken, dass ihre High Heels schichtweise das Laub aufgespießt haben.

    Als gleichsam wiederauferstehender Künstler macht Jack Huston („Nachtzug nach Lissabon“) eine gute Figur, ebenso Lambert Wilson („Molière auf dem Fahrrad“) als Geschäftsmann, der seine Skrupel nicht abschütteln kann. Der eigentliche Besetzungscoup aber ist Brit Marling. Nach den dramatischen Rollen in „Another Earth“, „The East“ oder kürzlich in „I Origins – Im Auge des Ursprungs“ besticht sie in „Posthumous“ als brillante Komödiantin. Ohne je unnatürlich zu wirken, jongliert sie virtuos mit Verzögerungen, Überdrehtheiten, Fehlleistungen und Gewitztheiten, die auf charmanteste Art zum Lachen reizen - die frühe Diane Keaton („Der Stadtneurotiker“) und die unsterbliche Carole Lombard („Sein oder Nichtsein“) sind hier nicht fern. Hinzu kommt, dass Marling nicht nur selbst mit viel Elan bei der Sache ist, sondern Regisseurin Wang und Kameramann Stefan Ciupek („Ausgerechnet Sibirien“) sie auch perfekt in Szene setzen: In Momenten der Überlegenheit zeigen sie ihr Gesicht in schönen Frontalaufnahmen, in Augenblicken des Zweifels dagegen im herberen, leicht traurigen Halbprofil.

    Fazit: „Posthumous“ ist das ultimative Mittel gegen gedrückte Herbststimmung: Urbanes Flair, amouröses Knistern und locker-leichter Humor verbinden sich zu einer zauberhaften romantischen Komödie.

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