Emma Roberts und Kiernan Shipka haben schon in ihrer TV-Vergangenheit als Jungstars in „American Horror Story“ beziehungsweise „Mad Men“ Erfahrungen mit launenhaften Handlungswendungen und gedrosseltem Erzähltempo gemacht. Der verschachtelte Plot und das raffinierte Hinauszögern von Auflösungen mögen die beiden Darstellerinnen auch dazu bewogen haben, 2015 das Engagement beim Exorzismus-Thriller „Die Tochter des Teufels“ von Regiedebütant Osgood Perkins anzunehmen. Vor allem Shipka glänzt in dem sorgsam designten Schocker, der seine Wirkung über weite Strecken eher unterschwellig entfaltet und den Zuschauer bis zum Schluss und darüber hinaus gekonnt im Dunkeln tappen lässt.
New York. Kat (Kiernan Shipka) und Rose (Lucy Boynton) sind Schülerinnen am Bradford-Internat, einer katholischen Mädchenschule. Doch bevor es in die Ferien geht, bricht plötzlich die winterliche Kälte ein, und sorgt dafür, dass die beiden Teenager im Schulgebäude feststecken. Vor dem Rektor gesteht Rose, dass sie ihren Eltern außerdem das falsche Datum mitgeteilt hat, damit diese sie nicht pünktlich abholen können und sie Zeit hat, um ihrem Freund ein Geheimnis zu gestehen. Derweil wird die wortkarge Kat von brutalen Scheinbildern und Albträumen gepeinigt. Rose soll während des Schneetreibens auf Kat aufpassen, deren Verhalten mit der Zeit immer brachialere Züge annimmt. Die Geschehnisse scheinen zudem in einer unerklärlichen Verbindung mit dem Auftreten der rätselhaften jungen Frau Joan (Emma Roberts) zu stehen. Während Kat Vorahnungen plagen, wird Joan von mentalen Bildern aus der Vergangenheit gequält. Als sie auf einen Bus wartet und schließlich Bill (James Remar) trifft, einen Mann, der seine tote Tochter vermisst, beginnen die Fäden zwischen allen Figuren zusammenzulaufen…
Auch wenn immer wieder neue Verbindungen zwischen dem Handlungsstrang mit Kat und Rose auf der einen sowie jenem mit Joan auf der anderen Seite geknüpft oder zumindest angedeutet werden, fehlt hier ein einzelner erzählerischer roter Faden, der sich durch den ganzen Film zieht. Stattdessen erschüttert Regisseur Os Perkins, der auch das Drehbuch verfasst hat, ständig vermeintliche Gewissheiten und verschränkt auf ausgeklügelte Weise in der alles andere als chronologischen Erzählung nicht nur die Zeitebenen. Zuweilen dringt einer der beiden Handlungsstränge förmlich in den anderen ein, oft schrammen sie dann aber auch wieder aneinander vorbei und lenken die Aufmerksamkeit des Betrachters auf etwas anderes. Diesen erzählerischen Volten steht eine betont minimalistische Inszenierung gegenüber: Die Einstellungen sind manchmal so lang, dass es wirkt, als würde der nächste Schnitt absichtlich herausgezögert. Dieser Eindruck wird durch die meist starre Kamera und die sparsame Ausleuchtung noch verstärkt. Perkins erzeugt eine Atmosphäre des Stillstands irgendwo zwischen echter Beklemmung und punktuell drohender Langeweile und unterstreicht das Ganze mit den traurigsten Farben, die das Art-House-Kino seit langem gesehen hat.
Auch die Dialoge fallen sehr sparsam aus. Wenn hier von „Teufelsanbeterinnen“, „vergebenen Chancen“ und „toten Eltern“ gesprochen wird, haben wir es eher mit einem bedeutungsschwangeren Raunen als mit erhellenden Erklärungen zu tun. So wird die Besessenheit hier eher unterschwellig zum Thema, wird aber nicht psychologisch vertieft. Perkins liefert keine Erklärungen, sondern konzentriert sich auf die Inszenierung einer ebenso schleichenden wie rätselhaften Bedrohung, ähnlich wie er es zwischenzeitlich auch in seinem zweiten Film „I Am the Pretty Thing That Lives in the House“ (auf Netflix) gemacht hat. Dabei bietet er einige Schmankerl für Auge und Ohr: Wenn die kniende Kat vor einem orangeglühenden Heizkessel ihren Rumpf in stakkatoartigem Rhythmus senkt und hebt, senkt und wieder hebt und dabei von der angsterfüllten Rose durch ein Türfenster beobachtet wird, dann ist das ein ebenso eindringliches wie sinnliches Bild. Und wenn das geheimnisvolle Geschehen von einem rätselhaften musikalisch-maschinellen Rauschen auf der Tonspur begleitet wird, wie wir es seit „Eraserhead“ aus vielen Filmen von David Lynch kennen. Hier wird das Unheil immer wieder angekündigt, aber zumindest sehr lange nicht offenbart.
Die ausgestellte Kargheit von „Die Tochter des Teufels“ erinnert zu Beginn gelegentlich an die leeren Oberflächen in Nicolas Winding Refns „The Neon Demon“. Beim dänischen „Drive“-Regisseur sind die entscheidenden Bedeutungsebenen ja ein paar Schichten tiefer zu suchen und auf ähnliche Weise bleibt auch Osgood Perkins Film als eine Art motivische Schnitzeljagd spannend. Mit Leben gefüllt wird das Konstrukt indes vor allem durch Kierab Shipka: In ihrem Gesicht mit den buschigen Augenbrauen lassen sich ganze Ausdruckswelten ablesen. Man will ihr vertrauen, aber dem steht ihre innere Zerrissenheit entgegen. Der jugendliche Ungehorsam aus „Mad Men“ ist hier in eine bitterböse Erhabenheit umgeschlagen. Emma Roberts enttäuscht neben Shipka keineswegs, sie steht zwar ein wenig im Schatten von deren kühler Raubkatzen-Aura, bringt dafür aber eine gewisse Bodenständigkeit in die ganze ansonsten oft recht abgehobene und bis zum schrillen Schlussakkord manchmal übertrieben ernsthaft wirkende Sache.
Fazit: „Die Tochter des Teufels“ hebt sich in erster Linie durch eine karge Atmosphäre und die kunstvoll schleierhafte Handlung von der Genrekonkurrenz ab, obendrauf gibt es eine gelungen düstere Performance von Kiernan Shipka. Allerdings hätte die sehenswerte, aber etwas verkopfte Horrorstory durchaus eine kleine Prise Humor vertragen können.
Filmkritik von Benjamin Freund