Der Spannungskrieg ist zum zweiten Mal entschieden
Von Christoph PetersenEs entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass die Kinostarts von Alfonso Gomez-Rejons „Edison - Ein Leben voller Licht“ und Michael Almereydas „Tesla“ in Deutschland gerade mal vier Wochen auseinanderliegen. Schließlich waren die beiden Titelfiguren schon vor mehr als 125 Jahren erbitterte Konkurrenten, als in den USA die Entscheidung anstand, ob man die Nation nun mit dem sicheren, aber vor allem über Entfernungen nicht so leistungsstarken Gleichstrom (= Team Edison) oder doch lieber dem risikoreicheren, zugleich aber auch so viel wirkmächtigeren Wechselstrom (= Team Tesla) elektrisieren sollte. Der Originaltitel von „Edison - Ein Leben voller Licht“, in dem Thomas Edison von Benedict Cumberbatch und Nikola Tesla von Nicholas Hoult verkörpert wird, lautet deshalb auch „The Current War“. Diesen Krieg der Spannungen gewann Tesla damals.
Und um das gleich mal vorwegzunehmen: Das Duell der Filme über den Spannungskrieg, die in Deutschland übrigens beide vom selben Verleih in die Kinos gebracht werden, hat denselben Sieger! Haben wir bei dem eher piefigen Historien-Biopic „Edison - Ein Leben voller Licht“ noch das Fazit gezogen, dass „der Funke einfach nicht überspringt“, erweist sich „Tesla“ als faszinierendes, formal erfindungsreiches, wenn womöglich auch ein wenig verkopftes Leinwandexperiment. Während die historischen Abläufe oft einfach nur von der Ich-Erzählerin beigesteuert werden, interessiert sich Michael Almereyda, der hier nach 20 Jahren erneut seine „Hamlet“-Konkurrenten Ethan Hawke und Kyle MacLachlan aufeinanderprallen lässt, offensichtlich vielmehr für die psychologischen, philosophischen und auch ästhetischen Aspekte der Geschichte.
Während Thomas Edison (Kyle MacLachlan) zum Weltstar aufsteigt ...
Zu Beginn der 1880er Jahre tritt der serbokroatische Immigrant Nikola Tesla (Ethan Hawke) einen Job in der Firma des genialen Erfinders und Geschäftsmanns Thomas Edison (Kyle MacLachlan) an. Aber die Anstellung endet im Bruch, als sich Edison weigert, die für eine bestimmte Erfindung ausgelobten 50.000 Dollar an Tesla zu zahlen. Nach entbehrungsreichen Jahren, in denen er sich teilweise mit dem Ausheben von Gräben für Stromkabel über Wasser gehalten hat, tut sich Tesla mit dem Industriellen George Westinghouse (Jim Gaffigan) zusammen, um einen sicheren Wechselstromgenerator zu kreieren.
Währenddessen tut Edison alles, um seinen Kontrahenten in Verruf zu bringen – er veranstaltet sogar regelmäßig Vorführungen, bei denen er günstig eingekaufte Straßenhunde mit Wechselstrom umbringen lässt, um die Gefährlichkeit der Spannungsart zu demonstrieren. Zugleich wird mit dem Frauenmörder William Kemmler (Blake DeLong) erstmals ein Mensch auf dem elektrischen Stuhl hingerichtet – mit Teslas Wechselstrom und erheblichen Komplikationen. Aber selbst solche Rückschläge können den Siegeszug des Wechselstroms nicht aufpassen – und auf der Weltausstellung 1893 in Chicago ist es Tesla, der mit seinen Erfindungen eine ganze Metropole so hell erstrahlen lässt, wie es noch nie zuvor ein Mensch gesehen hat …
Als Ich-Erzählerin fungiert Anne Morgan, die idealistische Tochter von J.P. Morgan, dem damals einflussreichsten Privatbanker der Welt. Sie war mit Tesla befreundet und wollte wohl auch mehr von ihm als das – ist jedoch nie wirklich zu ihm durchgedrungen. Genau wie der Zuschauer, der ebenfalls nur ahnen kann, was im Kopf und damit in der ganz eigenen Gedankenwelt des genialen Erfinders vor sich gehen mag. Anne Morgan, die passenderweise von Eve Hewson verkörpert wird, deren Vater Bono einen Großteil seines 700-Millionen-Dollar-Vermögens ja ebenfalls nicht mit der Musik, sondern mit Aktien und Beteiligungen verdient hat, durchbricht bei ihren Berichten immer wieder die vierte Wand.
So steht sie auf einmal neben einem Apple-Laptop, auf dem sie die Protagonisten der Geschichte googelt – und vor allem die Zahl der Treffer miteinander vergleicht. Edison hat trotz seiner Niederlage im Spannungskrieg fast doppelt so viele wie sein Konkurrent. Zudem gibt es von Tesla nur vier Fotografien, die sich – mitunter in leicht abgewandelter Form – im Netz finden. Im Gegensatz zum Selbstdarsteller Edison war Tesla ein eigenbrötlerisches Genie – und deshalb passt zu ihm eben auch ein solch assoziativer Erzählansatz, wie ihn Michael Almereyda in „Tesla“ verfolgt: Mehr als eine Annäherung scheint schließlich sowieso nicht möglich. Aber Spaß kann man mitunter trotztdem haben: Etwa in einer fiktiven Szene, die von Anne auch direkt als eine solche enthüllt wird und in der sich Tesla und Edison gegenseitig ein Softeis ins Gesicht drücken.
... darf Nikola Tesla (Ethan Hawke) den Reichen und Schönen weiterhin nur von draußen zusehen.
In „Marie Curie - Elemente des Lebens“, einem weiteren historischen Wissenschafts-Biopic, das dieser Wochen in den deutschen Kinos angelaufen ist, gibt es immer wieder Einschübe, in denen gezeigt wird, wohin die Entdeckungen der Protagonistin in den kommenden Jahren geführt haben werden – wie sehen einen kleinen Jungen, der dank einer Strahlentherapie vom Krebs geheilt wird, und wir sehen den Bombenabwurf auf Hiroshima.
Auch in „Tesla“ gibt es solche Vorausahnungen – aber sie werden viel subtiler präsentiert: Wenn Edinson in einer Szene plötzlich sein Handy hervorholt und durch seine Nachrichten swiped, dann geschieht das dermaßen beiläufig, dass man den Anachronismus fast übersieht. Noch mehr gilt das für das Blitzlichtgewitter, das losbricht, als die französische Schauspielerin Sarah Bernhardt (Rebecca Dayan), der wohl erste wirkliche Weltstar der Geschichte, einen roten Teppich entlangschreitet.
In „Tesla“ finden viele Szenen auf einer Bühne statt – mit projizierten Bildern im Hintergrund. So hält Tesla etwa einem projizierten Fohlen einen Apfel hin. Die Weltausstellung 1893, in „Edison – Ein Leben voller Licht“ noch der Ausstattungs-Höhepunkt des Films, wird hier von Anne Morgan in Form eines Diavortrags abgehandelt. Es lässt sich von außen schwer sagen, was zuerst da war – das ästhetische Konzept oder das limitierte Budget, das den inszenatorischen Einfallsreichtum notwendig werden ließ. Aber wie dem auch sei: „Tesla“ ist in seiner betont limitierten Form inszenatorisch sehr viel aufregender als der blinde Ausstattungs-Wahn im Konkurrenzfilm.
Nur gelegentlich scheint man dabei wirklich nahe an Nikolas Tesla heranzukommen. Etwa gleich zu Beginn beim Rollschuhfahren, wenn Anne Morgan aus dem Off die Geschichte beisteuert, wie Tesla als kleines Kind seine Katze gestreichelt und dabei zum ersten Mal das Konzept der Elektrizität durchdrungen hat. Oder ganz am Ende, wenn der längst mittellose Tesla aschfahl und bettelnd vor einem umzäunten Tennisplatz steht – nicht einmal die mächtigsten Ideen der Welt vermögen es, etwas gegen den eiskalten Kapitalismus auszurichten. Eine Erkenntnis, die Ethan Hawke mit einer tragischen, einmal mehr die vierte Wand durchbrechenden Performance des Tears-For-Fears-Songs „Everybody Wants To Rule The World“ krönt. Ein zutiefst berührender Moment, der vor allem deshalb so einschlägt, weil sich „Tesla“ bis dahin fast ausschließlich auf einer intellektuellen und ästhetischen Ebene ausgetobt hat.
Fazit: Ein Leinwandexperiment, das sich Nikola Tesla auf eine Art nähert, die dem introvertierten Genie angemessen ist: erfindungsreich, herausfordernd und durchaus auch ein wenig verkopft.