Mein Konto
    Die letzten Gigolos
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,5
    durchschnittlich
    Die letzten Gigolos
    Von Andreas Günther

    „Ich lieeebe  Galas!“, ruft Barbara Maierhofer entzückt aus, als verkündet wird, welche gesellschaftlichen Höhepunkte die Kreuzfahrt mit der MS Deutschland in Richtung Kapverdische Inseln zu bieten hat. Einziger äußerst bitterer Wermutstropfen für „Babs“: Es sind zu wenige Männer an Bord, die mit der reifen Dame ihrer Lieblingsbeschäftigung frönen würden – Tanzen! Immerhin hat der Veranstalter eine Handvoll älterer Herren verpflichtet, die diese Aufgabe übernehmen. „Die letzten Gigolos“ –  auf sie scheint der Titel von Stephan Bergmanns Dokumentarfilm über das Senioren-Schwofen und- Flirten auf hoher See gemünzt. Aber so ganz stimmt diese Bezeichnung nicht, so wie auch manches andere hier nicht wirklich realitätsgerecht zu sein scheint. Trotz oder gerade wegen der schönen Bilder.

    Zumindest der Beginn hat eine Spur von Anrüchigkeit. Wenn der versierte „Gentleman Host“ – so die Sprachregelung an Bord – Peter Nemela den neuen Kollegen Heinz Löffelbein darin einweist, wie man sich die Damen ausguckt, wie man sie zum Tanzen auffordert und wie man sich zwischen den Einsätzen erholen kann, glaubt man durchaus, dass es auch um andere Dienstleistungen geht als nur darum, eine kesse Sohle aufs Parkett zu legen. Doch dann erfährt man, dass körperliche Intimitäten nicht erlaubt sind und weder Peter noch Heinz es finanziell nötig haben, sich in fremden Betten etwas dazuzuverdienen. Vielmehr hoffen sie, als Tanzpartner nach Witwerschaft beziehungsweise Scheidung eine Frau für den Lebensabend zu finden. Die Damen sind in ähnlicher Situation. Während sie beim Umziehen und Schminken, beim Fitnesstraining und Sonnenbaden gezeigt werden, sprechen Peter und Heinz, Barbara und Bärbel, die sich anschicken, Paare zu werden, aus dem Off ihre Sehnsüchte aus.  

    Die Protagonisten aus dem wirklichen Leben bringen dem Filmemacher dabei ein enormes Vertrauen entgegen. Bergmann fährt damit die Ernte einer gründlichen Recherche, Vorbereitung und Auswahl seiner Gesprächspartner ein. Er selbst bleibt indes völlig im Hintergrund. Die Präzision, mit der Kameramann Janis Mazuch die älteren Herrschaften bei Unterhaltung und Tanz beobachtet, hat nicht nur psychologische Tiefenschärfe. Die Umgebung - das Meer genauso wie der schwimmende Palast des Kreuzfahrtschiffes - wird in satten Farben in einer Art rustikalem Hochglanz, aber dennoch nicht schönmalerisch ausgebreitet. So wird eine sanfte Korrespondenz hergestellt zwischen der moderat aufgewühlten äußeren Natur der aufgepeitschten Wellen und dem Innenleben der Personen, die auch jenseits der 70 noch vor Vitalität sprühen.

    Etwas unangenehm ist indes der leicht sensationsheischende Etikettenschwindel mit dem Titel. Statt von „letzten Gigolos“, worunter im Allgemeinen weniger Eintänzer verstanden werden als Männer, die sich von Frauen aushalten lassen, wäre besser von den ‚letzten Kavalieren’ die Rede. Schwerer wiegt aber etwas anderes: Bei Bergmann hat man zuweilen den Verdacht, dass er nicht eine vorhandene Realität einfängt (von der er als Dokumentarfilmer zu erzählen vorgibt), sondern sich die Wirklichkeit so einrichtet, wie er sie haben will. Stets ist der in Rot ausgeschlagene Festsaal merkwürdig leer, vor allem ‚männerleer’. Praktischerweise lenkt rein gar nichts die Aufmerksamkeit von den Begegnungen der Protagonisten ab. Dass diese sich dann auch noch zu Romanzen entwickeln, macht skeptisch. Mit eingeschobenen Kurzporträts anderer Passagiere und sogar Einblicken in das Leben der Besatzung kann Bergmann dem Eindruck der ‚scripted reality’ kaum entgegenwirken.  

    Fazit: „Die letzten Gigolos“ verleiht einer medial vernachlässigten Gruppe Stimme und Gesicht -  den munteren reise-, lebens- und liebeslustigen Senioren. Die allzu gründliche Vorbereitung und Inszenierung beschert dem Dokumentarfilm aber ein Glaubwürdigkeitsproblem.

    Möchtest Du weitere Kritiken ansehen?
    Das könnte dich auch interessieren
    Back to Top