Endzeitfantasien sind „in“, längst geht es auch im Young-Adult-Bereich nicht mehr bloß metaphorisch um eine ungewisse Zukunft – man denke nur an „Die Tribute von Panem“. Selbst Achtjährige wissen heutzutage, was Zombies sind und auch die Comic-Vorlage zu „Alone“, ein frankobelgischer Funny aus dem „Spirou“-Umfeld (deutscher Titel: „Allein“), zeugt davon, dass man der Leserschaft „ab 10 Jahren“ inzwischen deutlich mehr zumutet und zutraut als in der Vergangenheit. „Alone“, die (teilweise freie) Verfilmung der ersten fünf Bände des mittlerweile auf 22 Teile angelegten Mystery-Werks durch David Moreau („Them“) ist aber dennoch nichts für Kinder, was man schon daran erkennt, dass die in den Comics fünf- bis zwölfjährigen Protagonisten hier etwa sieben Jahre älter sind. Und sie müssen in der Kinoversion des apokalyptischen Abenteuers ziemlich intensive Spannungsmomente durchleben.
Leila (Sofie Lesaffre, „Der Himmel wird warten“) ist eine toughe junge Araberin in der französischen Metropole Fortville, die darunter leidet, dass ihr geliebter Bruder Aysam im Koma liegt. Nach einer aufgedrehten Nacht auf der Kirmes wacht sie auf und stellt fest, dass sie allein zu sein scheint. Wirklich allein. Die Eltern sind weg, die Straßen sind leer, sogar der Bruder ist aus dem Spital verschwunden. Nach einigem Suchen trifft Leila auf den schwarzen Kleinkriminellen Dodji (Stéphane Bak, „Elle“), den Milliardärssohn Yvan (Paul Scarfoglio) und die beiden etwa zwölfjährigen Camille (Kim Lockhart) und Terry (Jean-Stan Du Pac). Die Suche nach Angehörigen bringt keine Erfolge, es scheinen aber zwei Missetäter unterwegs zu sein, der eine schießt aus dem Hinterhalt Pfeile, der andere ist gekleidet wie der „Herr der Messer“, eine Terry aus einem Comic bekannte Figur, und kommt für seine Angriffe näher heran. Außerdem werden die Fünf von einer bedrohlich wirkenden Drohne verfolgt.
Die Ausgangssituation des Films funktioniert ähnlich wie in „Die grüne Wolke“ (nicht wie in der missglückten Verfilmung, sondern wie im Buch von A.S. Neill). Dort versteinert eine grüne Wolke nahezu alle Menschen, nur einige Schüler und ihr Lehrer hatten Glück, dass sie sich mit dem Luftschiff eines Millionärs zum richtigen Zeitpunkt über dieser Wolke befanden. Auch in „Alone“ wird im Übrigen der Reichtum einer Figur (ganz wie bei Dagobert Duck) als erzählerische Krücke für einige Extravaganzen genutzt: Yvans Vater ist ein schwerreicher Banker und so brettern die noch führerscheinlosen Kids hier mit stylischen Oldtimern durch die Straßen und später verfügen sie kurzerhand über einen gepanzerten Geldtransporter, weil sie den gerade so gut gebrauchen können.
Mit solchen Gimmicks wie den schicken alten Autos bietet der Film augenzwinkernde Unterhaltung, aber auch sonst fallen die Abenteuer der fünf Heranwachsenden durchaus ansprechend aus. Die Figuren ergänzen sich gut (auch wenn die Entwicklung ihrer Freundschaft noch etwas vertieft hätte werden können) und die Schauspielleistungen gerade von Sofie Lesaffre und Stéphane Bak als den Anführern der Gruppe überzeugen. Und obwohl man hier etwas zu oft durch dunkle Gänge schleicht und hinter jeder Ecke eine Überraschung erwartet, so wurde doch mit einem überschaubaren Budget eine stimmige Welt geschaffen, inklusive des aus Filmen wie „28 Days Later“ oder „I am Legend“ bekannten unheimlichen Gefühls, eine Großstadt plötzlich menschenleer zu sehen.
All die atmosphärischen Pluspunkte können jedoch nicht übertünchen, dass der Film einen dramaturgischen Pferdefuß hat. Es gibt etwa 20 Minuten vor dem Ende eine unerwartete Wendung, mit der alles bis dahin Geschehene gleichsam auf den Kopf gestellt wird. Zwar werden dabei einige Unstimmigkeiten ausgebügelt und willkommene Erklärungen geliefert, aber gleichzeitig entsteht vorlagenbedingt auch der Eindruck, dass die eigentliche Geschichte erst kurz vor dem Abspann beginnt – und auf eine Fortsetzung wartet, mit der allerdings nach den bisherigen Einspielergebnissen nicht unbedingt zu rechnen ist. So können nur die Kenner der Comics das alles einordnen, und die anderen werden mit einer spannenden Prämisse und einigen offenen Fragen aus dem Kino entlassen.
Fazit: Das Teenager-Endzeitdrama nach der Comic-Erfolgsreihe überzeugt mit einer gelungenen Weltuntergangsstimmung, doch die Auflösung des zentralen Mysteriums macht mehr Lust auf eine eventuell nie kommende Fortsetzung als dass es die Geschichte dieses Films zu einem zufriedenstellenden Ende bringen würde.