Vom sogenannten Yarnell Hill Fire im Juni 2013 in der Nähe von Arizona hat hierzulande kaum einer Notiz genommen. Gerade in den Sommermonaten brennt es in den Wäldern der USA schließlich immer irgendwo. Während ich dies schreibe bahnen sich die Flammen auch schon wieder ihren Weg in Richtung Los Angeles und bedrohen die Anwesen der Reichen und Schönen. Der erwähnte Brand vor knapp vier Jahren war allerdings etwas Außergewöhnliches, denn in dem Feuer kam fast die gesamte Crew der sogenannten Granite Mountain Hotshots ums Leben; nur einer der insgesamt 19 Brandspezialisten überlebte. Seit den Anschlägen auf das World Trade Center am 11. September 2001 forderte keine Katastrophe mehr Leben von Feuerwehrmännern als das Yarnell Hill Fire. Regisseur Joseph Kosinski („Oblivion“), der sich im Zeitalter der Superhelden bewusst der Geschichte von Heroen des Alltags annehmen wollte, macht das tragische Ereignis zum Grundstein eines aufwühlenden Katastrophendramas, das sich in seiner erzählerischen Zurückhaltung wie der Gegenentwurf zu den pathosschwangeren Werken eines Peter Berg („Boston“) oder Michael Bay („13 Hours: The Secret Soldiers Of Benghazi“) anfühlt. In „No Way Out – Gegen die Flammen“, der im Original den Titel „Only the Brave“ trägt, stehen die Menschen im Vordergrund und ihre Bereitschaft, sich für das Leben ihnen fremder Opfer selbst in größte Gefahr zu bringen. Kosinski inszeniert das Ganze so unaufdringlich, dass der dramatische Ausgang der Geschichte vor allem deshalb so mitnimmt, weil man in den Feuerwehrleuten eben keine übermenschlichen Helden sieht, sondern Männer und Familienväter wie Tausende andere auch.
Eric Marsh (Josh Brolin) arbeitet seit Jahrzehnten als Feuerwehrmann in und um Arizona. Er hat schon alles gesehen und benötigt die Flammen wie die Luft zum Atmen, was ihm regelmäßige Auseinandersetzungen mit seiner Frau Amanda (Jennifer Connelly) einbringt, die sich langsam aber sicher ein Baby wünscht. Das nächste große Vorhaben sieht Eric jedoch nicht in der Familienplanung, sondern in der Ausbildung eines Teams aus 19 Nachwuchsfeuerwehrmännern – der Hotshow-Crew. Mit Unterstützung von Duane Steinbrink (Jeff Bridges), dem erfahrenen Chef der örtlichen Feuerwache, integriert Eric sogar den Draufgänger und Drogenjunkie Brandon „Donut“ McDonough (Miles Teller) ins Team, der in der Arbeit als Feuerwehrmann seine wahre Bestimmung gefunden zu haben scheint. Gemeinsam bekämpft die Crew jeden noch so gewaltigen Waldbrand, bis ein Ereignis am 28. Juni 2013 das Team und ganz Amerika in seinen Grundfesten erschüttert…
Die Drehbuchautoren Ken Nolan („Black Hawk Down“) und Eric Warren Singer („American Hustle“) rücken in ihrem auf einem GQ-Artikel basierenden Skript eine der beteiligten realen Personen in den Mittelpunkt und machen sie zum Protagonisten, wie es auch in vielen anderen vergleichbaren Filmen gemacht wird. Ihre Wahl fällt auf den Feuerwehrmann und Ausbilder Eric Marsh, dem sie auch ausgiebig Raum für Privates geben, wobei sie über die regelmäßigen Diskussionen mit seiner Frau über die Familienplanung einen grundsätzlichen Konflikt betonen. Josh Brolin („Sicario“) steht die Figur des mit Leib und Seele in seiner Arbeit als Feuerwehrmann aufgehenden Mittvierzigers dabei hervorragend zu Gesicht. Dass dieser Mann in der Bekämpfung der Flammen seine Berufung gefunden hat, der er mitunter mehr Leidenschaft entgegenbringt als den Wünschen seiner Ehefrau, nimmt man dem Charakterdarsteller jederzeit ab. Oscar-Preisträgerin Jennifer Connelly („A Beautiful Mind“) als unter der Situation leidende Gattin wird aber keineswegs als Hindernis bei der Selbstverwirklichung des Mannes dargestellt. Vielmehr wird auch ihr Dilemma nachfühlbar, auch wenn der Subplot um ihre Arbeit als Pferdetrainerin ein wenig aufgesetzt wirkt – als wollte man den Mangel an Frauenfiguren, der sich durch die Fakten ergibt, unbedingt ausgleichen.
In anderen Katastrophenfilmen wirken die nur angedeuteten privaten Hintergründe der Figuren gelegentlich wie ein fadenscheiniger Vorwand, um die ständige Action und Aufregung im Kampf gegen Naturgewalten oder Unglücke emotional zu unterfüttern. Doch Joseph Kosinski, der mit dem Draufgänger Brandon (Miles Teller in seiner besten Rolle seit „Whiplash“) später noch eine weitere wichtige Figur in den Fokus rückt, geht es nicht darum, möglichst viel Spektakel zu zeigen. Trotz einer Laufzeit von immerhin 133 Minuten widmet er sich erst in der letzten halben Stunde der eigentlichen Katastrophe – und schaut dann auch beim späteren Kampf der Männer gegen die Flammen nur diskret zu. Kosinski verkneift sich jedes Sensationsheischen und erzählt lieber ausgiebig von der harten Ausbildung der angehenden Feuerwehrmänner, von den psychischen wie physischen Strapazen auch fernab der bloßen Flammenhitze (Stichwort: Klapperschlangenbiss). Unter solchem Dauerdruck entsteht ganz allmählich eine ungewöhnlich enge kollegiale Bindung zwischen den jungen Männern – ein Prozess, den die Filmemachern in ausgiebigen Dialogszenen feinfühlig nachzeichnen. Flaggenschwenkende patriotische Heldenverehrung hat hier dagegen kaum Platz. Selbst eine recht unspektakuläre Szene, in der eine Krankenschwester den Feuerwehrmännern unvermittelt beteuert, dass sie ja alle „amerikanische Helden“ seien, wirkt da schon wie ein Fremdkörper. Ähnlich unvermittelt wirkt die Handvoll Szenen, in denen sich Brolins Eric von weitem direkt an die Flammen wendet und mit ihnen spricht oder sie beschimpft.
„No Way Out – Gegen die Flammen“ beginnt mit einer Traumsequenz, in der ein in Flammen stehender Bär direkt auf die Kamera zuläuft. Später wird diese Szene noch zweimal aufgegriffen – einmal im Kontext eines Gesprächs, das die Bedeutung dieser Vision erklärt, und dann erneut in einem Traum. Diese eindrucksvollen Szenen sind für die Handlung wichtig, aber sie lassen nur ahnen, mit welcher Intensität und Wucht es Kosinski in anderen Momenten auf der Leinwand brennen lässt. Mehrere Monate lang war der Regisseur mit echten Feuerwehrmännern unterwegs, filmte reale (wenn auch kontrolliert gelegte) Brände und nutzte diese Aufnahmen später, um aus die Flammen – wenn nötig – mithilfe von CGI in gigantische Feuerwalzen zu verwandeln. Die buchstäbliche Verschmelzung von echtem Feuer und am Computer entstandener Glut ist beeindruckend; auch weil die intensive Tonspur den Eindruck einer echten Katastrophe zusätzlich verstärkt. Die insgesamt fünf verschiedenen Brände werden in „No Way Out“ zu einer weiteren, absolut unberechenbaren Hauptfigur. Neben ihr wirken die Feuerwehrmänner allenfalls in ihrem Bestreben, Menschen zu retten, heldenhaft. Doch gegen ein solches Ungetüm haben schließlich auch die mutigsten Brandbekämpfer keine Chance, vielmehr bleibt ihnen manchmal gar nichts anderes übrig, als sich hilflos unter riesengroßen Planen zu verstecken. Die Protagonisten zeigen kein großspuriges Hollywood-Heldentum, sondern echten Mut und echte Menschlichkeit und zu denen gehört es, sich seiner eigenen Grenzen bewusst zu sein.
Fazit: „No Way Out – Gegen die Flammen“ ist ein bildgewaltiges und aufwühlendes Katastrophendrama, das den Opfern des Yarnell Hire Fires ein ergreifendes Denkmal setzt.