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    The Death and Life of John F. Donovan
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,0
    lau
    The Death and Life of John F. Donovan

    Auch einem Wunderkind gelingt nicht alles

    Von FILMSTARTS-Team

    Der kanadische Regisseur, Autor, Schauspieler, Designer und Komponist Xavier Dolan ist gerade mal 30 Jahre alt – und hat trotzdem schon acht (!) Spielfilme gedreht, die überwiegend auf den wichtigsten Filmfestivals gelaufen sind. Das verschachtelte Melodram „The Death And Life Of John F. Donovan“ ist nun sein erster in englischer Sprache gedrehte Film – und schon im Voraus bekam man mit, dass Dolan offenbar nicht ganz zufrieden ist mit dem Ergebnis. So wurde der Veröffentlichungstermin nach hinten geschoben und immer weiter an der komplexen Erzählstruktur des Films gearbeitet – während mit Jessica Chastain („Interstellar“) einer der namhaftesten Stars des Films sogar ganz herausgeschnitten wurde, gab es bei der Laufzeit eine Halbierung von vier auf zwei Stunden (die sich nun zugleich zu lang und zu kurz anfühlen).

    In der Rahmenhandlung des Films fragt die von Thandie Newton gespielte Journalistin Audrey Newhouse den ehemaligen Kinderstar Rupert Turner (Ben Schnetzer), der gerade ein Buch geschrieben hat, das sie als Kriegsberichterstatterin allerdings nicht so ganz für voll nimmt: „Mr. Turner, worum geht es bei dem allen überhaupt?“ Und tatsächlich bleibt das für lange Zeit ein Rätsel, wenn der Befragte daraufhin von einer Brieffreundschaft mit einem Hollywoodstar aus seiner Kindheit zu erzählen beginnt. Ähnlich rätselhaft bleibt aber auch, warum Xavier Dolan seine interessante Thematik nicht nur mit einer unnötig verzweigten Erzählung, sondern auch noch mit jeder Menge gekünstelten Gebaren überschüttet hat.

    Perfekt ausgeleuchtete Melancholie von Kit Harrington als John F. Donovan.

    2017: Rupert Turner erzählt in einem Interview von seiner schwierigen Kindheit als Außenseiter und Kinderdarsteller. Für ihn war der einzige Lichtblick in diesen Jahren die Brieffreundschaft mit dem Hollywoodstar John F. Donovan (Kit Harington), den er bereits seit seinen Anfängen in einer zweitklassigen Fantasy-Serie verehrte und der 2006 vermutlich Selbstmord beging. Rupert (als Kind: Jacob Tremblay) sieht Donovan als Vorbild und Fixstern. Donovan, eine Art Rock Hudson des Handy-Zeitalters, vertraut Rupert hingegen seine Sorgen, Ängste und Nöte an. Und davon gibt es reichlich, denn er ist heimlich homosexuell in einer auf gesellschaftliche Perfektion getrimmten Glitzerwelt. Rupert und Donovan teilen dabei nicht nur ihre schauspielerischen Ambitionen, sondern auch das ambivalente Verhältnis zu ihren jeweiligen Müttern…

    Der tragische John F. Donovan ist ein Schönling mit Sieben-Tage-Regenwetter-Engelsgesicht, bei dessen Problemen nie die stets behauptete Dringlichkeit und Schwere auch für den Zuschauer spürbar wird. Zumal man Kit Harington („Game Of Thrones“) an dieser Stelle das vergiftete Kompliment machen muss, dass man ihn den substanzlosen, hölzernen Hollywoodstar tatsächlich abkauft. Der elfjährige Rupert ist hingegen ein zersplitterter Charakter, der geschwollen in perfekt geformten Sätzen daherredet, während er zugleich maximal niedlich in Szene gesetzt wird. Seine Mutter (Natalie Portman in einer ihrer schwächsten Rollen), immerzu kratzbürstig und unergründlich verantwortungslos, wirkt selbst dann nur nervös und genervt, wenn sie erfährt, dass ihr Kind auf eigene Faust nach London abgehauen ist. Sympathien entwickelt man da als Zuschauer in keine Richtung.

    Alles nur erfunden?

    Die beiden Hauptfiguren teilen so viel, dass sich der Zuschauer bis zum Ende fragt, ob sich Rupert die Brieffreundschaft nicht nur ausgedacht hat und sein Hollywood-Freund nur eine Art Alter Ego für ihn ist. So sind sie beide ähnlichen Demütigungen ausgesetzt, benutzen immer wieder ähnliche Formulierungen oder Ausdrücke. Ruperts rahmendes Gespräch mit der Reporterin wäre demnach eine Therapie, in der er über den Umweg John Donovan in Wahrheit über sein eigenes Leben spricht. Schließlich gibt er gleich zu Beginn des Interviews selbst zu, damals nie wirklich etwas Substanzielles über Donovans Privatleben erfahren zu haben – nur um anschließend immer wieder der Öffentlichkeit nicht bekannte Details aus diesem zu erzählen. Abschließend beantwortet wird die Frage, ob Rupert nun ein unzuverlässiger Erzähler ist oder nicht, im Film nie gänzlich. Und das wäre grundsätzlich doch ein faszinierender Ausgangspunkt für ein doppelbödiges Melodrama …

    … aber die drei parallelen Handlungsstränge (das Interview, die Kindheit von Rupert, das Ringen von John) geraten jeder für sich doch erstaunlich belanglos. Auch eine erhellende Gegenüberstellung der Charaktere Donovan und Rupert gelingt kaum, da sich Dolan zu lange entweder auf die eine oder die andere Figur konzentriert, statt ihre Erfahrungen und Erlebnisse gegenüberzustellen. Zudem verdirbt einem die gezwungene Künstlichkeit den Spaß am Miträtseln und Mitfühlen: Allen voran stört die merkwürdige Soundtrack-Auswahl, von einem Adele-Intro in New York über „Stand By Me“ bei einer Mutter-Sohn-Zusammenkunft und Kit Haringtons skurrilem Badespaß bei „Hanging On The Moment“ bis hin zur finalen „Bittersweet Symphony“, durch die das Ende derart pathetisch gerät, dass der Film zu seiner eigenen Parodie mutiert.

    Nicht mal Oscarpreisträgerin Natalie Portman kann ihrer Rolle die nötige Tiefe verleihen.

    Es finden sich auch hier wieder all die (autobiografischen) Themen, die Dolans Werk seit jeher durchziehen – den Umgang mit der eigenen Homosexualität, unerfüllte Liebe, das Verhältnis vom Sohn zur Mutter diesmal sogar gleich doppelt. Aber dabei kratzt er diesmal konsequent nur an der Oberfläche. Es mag sich bei „The Death And Life Of John F. Donovan“ um Dolans bisher hübschesten Film handeln, doch die Kamerafahrten durch New York und London zeigen Bilderbuchstäte und die Aufnahmen leidender Melancholiker zeigen Bilderbuchmenschen. Wäre die Kamera nicht mit so untypischer Häufigkeit sehr nah an den Figurengesichtern, man würde den Stil von Dolans Stammkameramann André Turpin fast nicht wiedererkennen.

    Es hat häufig den Anschein, als sei die Komplexität der Figuren zwischen den Schnitten verloren gegangen ist. Auf seine jetzige Form heruntergekürzt fehlt einfach die nötige Substanz – sowohl dem Film als auch den einzelnen Charakteren. Dieses unterkühlte Treiben abweisender Menschen, die an Kleinigkeiten leiden, ist sicher nicht völlig ohne (visuelle) Faszination, aber es bleibt der starke Eindruck, dass die vorliegende Fassung ein Kompromiss ist, der nur Verlierer kennt. Trotz der starken Raffung wirkt das Ganze nämlich mindestens 30 Minuten zu lang.

    Fazit: Hätte Xavier Dolan eine stimmige Form für das reichlich gedrehte Material gefunden, hätte „The Death And Life Of John F. Donovan“ womöglich der nächste große Wurf des kanadischen Wunderknaben werden können. In der jetzigen Form mutet dieses Diorama aus unsympathischen Figuren allerdings an wie bloßes Stückwerk – unfertig, oberflächlich und schwerfällig.

    Anmerkung: Dieser Text ist im Rahmen eines Kritiken-Workshops mit den FILMSTARTS-Volontären Dennis Meischen, Martin Ramm und Jan-Felix Wuttig entstanden.

     

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