Berühmt wurde der chilenische Regisseur Patricio Guzman ab 1973 mit seiner insgesamt fünfstündigen Trilogie „Die Schlacht um Chile“, zuletzt feierte er mit seinem Essayfilm „Nostalgia de la Luz” große Erfolge. Gemein ist diesen Werken und auch seinem neuen Film „Der Perlmuttknopf“ die ruhige, suchende Erzählweise, wobei das eigentliche Thema oft erst einmal weiträumig umschifft wird, ehe Guzman auf vermeintlichen Umwegen zum Kern seiner Überlegungen kommt. Ähnlich wie in „Nostalgia“ beginnt auch sein nun im Berlinale-Wettbewerb 2015 gezeigter Nachfolger mit den Sternen, kommt über sie zum Wasser, dem lebensspendenden Element, das auch die Lebenswelt der dezimierten indigenen Völker West-Patagoniens bestimmt. Von den Wenigen, die Jahrhunderte der Diskriminierung und Ausrottung durch Kolonialherren überstanden haben und vielem anderen handelt „Der Perlmuttknopf“, der einmal mehr durch Guzmans (ab)schweifenden Blick überzeugt. Zugleich verliert sich der Regisseur aber auch mehr als sonst im Hundertsten und Tausendsten.
Einige der Abzweigungen führen ins Leere, manchmal mag man Guzman bei seinen Gedankensprüngen nicht recht folgen – etwa wenn er einen Forscher zeigt, der meint, im Plätschern eines Bachs Stimmen zu hören und diese nachahmt oder wenn er die Körperbemalung eines Eingeborenenstammes mit dem Anblick der Sterne vergleicht. Doch oft lässt gerade der mäandernde, scheinbar ziellose Erzählfluss das vermeintlich Nebensächliche prägnant erscheinen: Der titelgebende Knopf etwa, der an Jemmy Button erinnert, einen Bewohner Patagoniens, der Mitte des 19. Jahrhunderts nach England verschleppt und dort „zivilisiert“ wurde, ehe er schließlich in seine Heimat zurückkehrte, wo er nun jedoch nicht mehr heimisch war. Als Zeitreise versteht Guzman diese Verschleppung: Von der Steinzeit in die Ära der Industriellen Revolution und zurück. Wenn der Regisseur mit seiner ruhigen, sonoren Stimme solche Geschichten erzählt, ganz unemotional die Verbrechen der kolonialen Eroberung, aber auch der neueren chilenischen Geschichte beschreibt, gelingen ihm die stärksten Momente eines bisweilen etwas fahrigen Essayfilms.
Fazit: Viele Aspekte schneidet der chilenische Regisseur Patricio Guzman in seinem Essayfilm „Der Perlmuttknopf“ an und findet immer wieder prägnante Geschichten und Assoziationen, verrennt sich bisweilen aber auch in Abschweifungen und Details.
Dieser Film läuft im Programm der Berlinale 2015. Eine Übersicht über alle FILMSTARTS-Kritiken von den 65. Internationalen Filmfestspielen in Berlin gibt es HIER.