In unmittelbarer Nähe zu einem Krisengebiet frönen Botschafter und Gesandte von Hilfsorganisationen in einem Luxushotel der Dekadenz, während sich in der Ferne Bombeneinschläge vernehmen lassen: Regisseurin Isabelle Stever („Gisela“, „Erste Ehe“) inszeniert die fragwürdigen Entartungen im Namen der Humanität in ihrem Drama „Das Wetter in geschlossenen Räumen“ als Spendentanz auf dem Vulkan. Protagonistin Dorothea Nagel (Maria Furtwängler) ist schon lange Teil dieser irgendwo im arabischen Raum angesiedelten Parallelwelt von Smalltalk und Charity-Partys, wo sie Geld für ihre Projekte sammelt. Die langen Tage in der noblen Suite vertreibt sich die Entwicklungshelferin unterdessen mit dem scheinbar naiven Toyboy Alec (Mehmet Sölzer) und jeder Menge Drinks. Selbst der Alkohol steht hier vorgeblich im Dienst der guten Sache, denn Frau Nagel ergattert nach eigener Aussage die größten Spendenbeträge im Zustand des Deliriums. Das aktuelle humanitäre Projekt der trinkfesten Dorothea steht indes von Beginn an unter keinem guten Stern: Mit kühl distanziertem Blick seziert die Regisseurin die persönlichen Beziehungen im schwülen Klima der Hotelräume und kommentiert mit satirischen Spitzen und einigem Zynismus den dekadenten Lebensstil von Entwicklungshelfern und Diplomaten.
Die unfertige Familienwohnung aus Isabelle Stevers vorigem Drama „Glückliche Fügung“ weicht in „Das Wetter in geschlossenen Räumen“ dem ebenfalls klar von der Außenwelt abgeschotteten Luxushotel. Dabei setzt sich Regisseurin Stever in beiden Filmen vor allem mit dem Wechselspiel von Abhängigkeiten und Erwartungen innerhalb einer Paarbeziehung auseinander. Der Kontrast zwischen der abgeschirmten Hotelwelt und der von Not geprägten äußeren Realität schwingt hier zwar mit, doch wird die humanitäre Krise außerhalb der abgekapselten Oase des Überflusses weitgehend ausgeblendet und bleibt nur im Hinterkopf des Zuschauers präsent. Stever verzichtet auf die nähere Betrachtung der größeren Zusammenhänge und konzentriert sich auf die fatalen Suchteskapaden und das verfahrene Liebesleben ihrer Protagonistin. Maria Furtwängler („Tatort“) gibt routiniert die toughe Projektleiterin, der immer mehr die Kontrolle über ihr Leben entgleitet, und glänzt mit dem fließenden Wechsel zwischen vier europäischen Sprachen. Doch die aufkeimende Verzweiflung hinter der Fassade der selbstbewussten Schönheit kommt nicht allzu nuanciert zum Vorschein. Während ihrer Dorothea die Tiefe fehlt (was durchaus zur Rolle passt), siedelt Spielfilmdebütant Mehmet Sölzer die nebulöse Figur des von der Spendensammlerin ausgehaltenen Alec im vieldeutigen Spannungsfeld zwischen jugendlichem Naivling und verschlagenem Manipulator an.
Fazit: In „Das Wetter in geschlossenen Räumen“ zeigt uns Isabelle Stever eine entrückt anmutende Scheinwelt, in der Humanität und Mitgefühl purem Egoismus gewichen sind.