Mein Konto
    Yaloms Anleitung zum Glücklichsein
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Yaloms Anleitung zum Glücklichsein
    Von Gregor Torinus

    Der 83-jährige Irvin D. Yalom gilt als einer der bedeutendsten Psychotherapeuten der USA und ist zudem Autor internationaler Bestseller wie „Und Nietzsche weinte“. In „Yaloms Anleitung zum Glücklichsein“ zeichnet die Schweizerin Sabine Gisiger ein einfühlsames Portrait dieses großen Mannes und dessen lebenslanger Beziehung zu seiner Frau Marylin. Dabei liegt es dem sympathischen Yalom fern, andere belehren zu wollen. Stattdessen erzählt er ganz bescheiden davon, welche verschiedenen Fragen und Unsicherheiten ihn selbst quälten und zum Teil noch immer beschäftigen.

    Yalom schildert, wie er als Kind jüdisch-russischer Immigranten in Washington in einfachsten Verhältnissen aufwuchs. Seine Eltern kann selbst in der „neuen Welt“ nur Menschen aus ihrem Heimatort, die in der „Seltzer-Society“ organisiert waren. Um aus diesem engen Umfeld auszubrechen, verbrachte Yalom viel Zeit in der Stadtbibliothek. Ohne eine Person, die ihn hätte anleiten können, begann er einfach die dort alphabetisch geordneten Biografien beginnend bei „A“ der Reihe nach durchzulesen. Bereits als Teenager lernte Yalom in der Schule seine spätere Frau Marilyn kennen. Sie lasen dieselben Autoren und Yalom schwor sich diese Frau einmal zu heiraten. Zu diesem Zeitpunkt war es für beide noch völlig unabsehbar, dass sie später beide studieren und erfolgreiche Akademiker und Autoren werden sollten. Irvin wurde zu einem Pionier der Gruppentherapie und der existentiellen Psychotherapie. Marylin begann als Literaturwissenschaftlerin und wendete sich später Gender Studies zu.

    Eine der ersten Szenen zeigt Irvin D. Yalom auf einem Kongress der Vereinigung der Amerikanischen Psychiater. Yalom wird zum Rednerpult gebeten und nach einem für ihn prägenden Schlüsselerlebnis befragt. Er antwortet nach kurzem Nachdenken leicht verlegen, dass eine Situation wie diese solch ein für ihn bezeichnendes Ereignis sei. Er stehe hier, als eine anerkannte Persönlichkeit, die eigentlich selbst wisse, was sie bereits alles geleistet hat. Zugleich fühle es sich für ihn jedoch weiterhin so an, als könne dies nicht ganz wahr sein, als könne er nicht wirklich all diese Bücher geschrieben haben. Aufgrund seiner Herkunft aus einer völlig ungebildeten Familie, habe er zeitlebens das Gefühl bewahrt, auf keinem richtigen Fundament zu stehen, all diese Ehrungen nicht wirklich verdient zu haben. - Das ist die Art, wie Yalom anhand seines eigenen Beispiels deutlich macht, wie sehr wir durch unterbewusste Prozesse bestimmt sind. Deshalb ist es für jeden Menschen so wichtig, sich diese Dinge bewusst zu machen, um ein wirklich freies und selbstbestimmtes Leben führen zu können.

    Deshalb ist der Originaltitel „Yaloms Cure“ („Yaloms Heilverfahren“) wesentlich passender, als der deutsche Filmtitel „Yaloms Anleitung zu Glücklichsein“. Letzterer kann vermuten lassen, es hier nur mit einem weiteren handelsüblichen Selbsthilfekurs zu tun haben. Doch Yalom geht weit über allseits bekannte Phrasen hinaus. Das liegt wahrscheinlich auch daran, dass er auf seiner eigenen Reise in das menschliche Unterbewusstsein bald erkannt hat, dass er sich auch mit Philosophie beschäftigen muss. So betont Yalom zunächst anhand seines persönlichen Beispiels – er ist bereits seit über 50 Jahren mit seiner Frau Marylin verheiratet – die Möglichkeit und die Wichtigkeit einer Partnerschaft. Er begründet diese Notwendigkeit jedoch in der existentiellen Erfahrung der Einsamkeit jedes einzelnen: Da kein Mensch genau die gleichen Erfahrungen macht, bewohnt jeder zeitlebens seine eigenen Welt, die sich niemals restlos vermitteln lässt.

    Regisseurin Sabine Gisiger („Guru - Bhagwan, His Secretary & His Bodyguard“) bebildert das Gesagte auf sehr klare, aber zugleich sehr unauffällige Weise. Wenn man nicht speziell darauf achtet, merkt man als Zuschauer kaum, wie immer wieder Bilder der sichtbaren Außenwelt innere Prozesse visualisieren. Das langsame Hinabsteigen in das Unterbewusstsein wird anhand von Tauchern veranschaulicht, die ein Riff erkunden. Die Notwendigkeit, die Seele zu nähren, um wachsen zu können, wird zum Beispiel anhand des Sprengens eines saftig grünen Gemüsefeldes gezeigt. Die Tatsache, dass der Mensch immer ein Stück weit einsam bleibt, verdeutlicht dagegen ein einzelner Dampfer alleine auf weiter See.

    Fazit: Regisseurin Sabine Gisiger gelingt es in „Yaloms Anleitung zum Glücklichsein“ den Zuschauer auf eine Reise in das Innenleben des amerikanischen Autors und Psychotherapeuten Irvin D. Yalom mitzunehmen und ihn auf diese Weise auch etwas über sich selbst erfahren zu lassen.

    Möchtest Du weitere Kritiken ansehen?
    Das könnte dich auch interessieren
    Back to Top