Schon in etlichen der klassischen Hollywood-Gangsterstreifen der 1930er und 40er Jahre war die katholische Kirche wie auch später etwa in den „Der Pate“-Filmen entweder moralische Instanz oder ein einfach zu korrumpierendes System. In dem Sozialdrama „Verfehlung“ trägt Regisseur Gerd Schneider nun dem heutigen Bild der Kirche Rechnung: Hier ist sie in erster Linie eine um ihre eigenen Interessen bemühte Gemeinschaft, die sich trotz mehrender Kindesmissbrauchs-Vorwürfe gegen ihre Vertreter selten um echte Aufklärung bemüht. Das ist ein politisch brisanter Stoff, hier verpackt in einen soliden Schauspielerfilm mit viel psychologischem Feingefühl und leider auch einer eher holprigen Dramaturgie.
Jakob (Sebastian Blomberg), Oliver (Jan Messutat) und Dominik (Kai Schumann) sind Fußball-Freunde, Kneipenkumpanen und katholische Priester aus Überzeugung. Während sich Dominik aufopferungsvoll um Jugendliche aus sozialen Brennpunkten und kaputten Familien kümmert und Oliver nach einer Beförderung größeren Herausforderungen entgegenstrebt, findet Jakob Anerkennung in seiner Funktion als Seelsorger für Gefängnisinsassen. Als Dominik des sexuellen Übergriffs auf einen seiner minderjährigen Schützlinge beschuldigt wird und in Untersuchungshaft kommt, bricht für Jakob eine Welt zusammen. Während sich Oliver um Schadensbegrenzung bemüht, um das Ansehen der Kirche in Anbetracht des sich abzeichnenden Skandals nicht zu gefährden, hadert Jakob mit seiner Freundschaft zu Dominik und seiner ethischen Verantwortung als Priester gegenüber dem vermeintlichen Opfer Mike (Oskar Bökelmann) und dessen emotional labilen Mutter Vera (Sandra Borgmann)…
Gerd Schneider hat neben seinem Regiestudium auch einen Abschluss in Katholischer Theologie und wollte früher sogar mal selbst Priester werden. So verwundert es nicht, dass er die Geschichte zunächst konsequent aus der Perspektive seiner glaubenssicheren Protagonisten und deren innigem Männerbund erzählt. Werte wie Brüderlichkeit, Freundschaft und Loyalität werden hier tatsächlich gelebt statt nur postuliert. Das ist fast wie in einem Gangster- oder Polizeifilm, die auch von in sich geschlossenen Systemen handeln, die von der absoluten Treue der Mitglieder zu ihren Brüdern und zu dem System selbst leben – zumindest bis dann einer aus dem inneren Kreis anfängt, unbequeme Wahrheiten auszusprechen und das System in Frage zu stellen.
Solange Schneider nur auf die Subkultur der katholischen Kirche blickt, ist sein Spielfilmdebüt absolut faszinierend. Allerdings verzettelt er sich auch schnell, wenn er dann später anfängt, auch der Welt außerhalb der Glaubensgemeinschaft unbedingt gerecht werden zu wollen – also vor allem den Opfern und ihren Familien. Während die Einblicke in den elitären Soldatenbund der Priester von einem tiefen Verständnis der Filmemacher zeugen, besteht die Außenwelt aus einer Ansammlung oft verwendeter Klischees. Wo Schneider die Erwartungshaltung in Bezug auf die Darstellung der Kirche und ihrer Machtebenen immer wieder geschickt unterläuft, erfüllt er sie in Bezug auf die Zeichnung der Opfer geradezu sklavisch.
Fazit: Ein stark gespieltes, vor allem beim Entwurf der Priester um Komplexität und Glaubwürdigkeit bemühtes Glaubensdrama, das schnell eine immense Sogwirkung entfaltet. Statt sich ganz auf seine drei spannenden Protagonisten zu konzentrieren, zerfasert der Film dann aber zunehmend, wenn immer mehr und nicht annähernd so differenziert gezeichnete Figuren auch außerhalb der Priestergemeinschaft in den Fokus rücken.