In Berichterstattungen von großen Filmfestivals liest man oft, ein Film habe bei seiner Premiere Standing Ovations vom Publikum erhalten. Dabei ist natürlich vor allem wichtig, wie lange ein Film und die anwesenden Macher während und nach dem Abspann von den Kinobesuchern stehend beklatscht wurden. Auch „A Perfect Day“, die insgesamt sechste, aber dabei erste englischsprachige Regiearbeit des Spaniers Fernando Léon de Aranoa, wurde bei den für ihre Gefühlsausbrüche bekannten Besuchern der Filmfestspiele von Cannes mit reichlich Applaus bedacht. Überdurchschnittliche fünf Minuten Standing Ovations gab es für die in der Nebenreihe Quinzaine des Réalisateurs gezeigte schwarze Komödie mit internationaler Starbesetzung (unter anderem Benicio Del Toro, Tim Robbins, Mélanie Thierry und Olga Kurylenko). Anteil an den Beifallsbekundungen hatte aber sicher auch die hehre Botschaft, das politische Engagement hinter der Kriegssatire. Denn die Umsetzung überzeugt nicht durchweg. Die Vermischung von Tragikomödie, Road-Movie und Kriegsfilm ist trotz gelungener Momente und der überzeugenden Darstellerriege etwas unrund. So trifft Fernando Léon de Aranoa mit seiner Verfilmung des Romans „Dejarse Llover“ der Madrider Schriftstellerin Paula Farias trotzt guter Absichten nicht so recht den Ton und stolpert unentwegt über arg konstruiert wirkende Figurenkonstellationen und schablonenhafte Handlungselemente.
1995, irgendwo im Balkan. Die Leiche eines schwergewichtigen Mannes wird von den Mitarbeitern der humanitären Hilfseinrichtung Aid Across Borders aus dem Brunnen eines Dorfes geborgen. Anführer der Truppe ist der chilenische Veteran Mambru (Benicio Del Toro), der vom abenteuerlustigen B (Tim Robbins) und von Damir (Fedja Stukan), ihrem mit der Sprache und Sitten der Einwohner vertrauten Übersetzer, unterstützt wird. Bei dem Versuch, die Leiche zu bergen, um die Kontamination des Trinkwassers aus dem Brunnen in Grenzen zu halten, reißt das alte Seil und das Team ist gezwungen, ein neues Seil zu finden. Doch das ist leichter gesagt als getan. Erst verweigert der örtliche Gemischtwarenhändler den Verkauf, da Seile für die Vollstreckung von Todesurteilen durch den Strick reserviert seien. Dann muss sich Mambru mit dem Idealismus seiner jungen Rekrutin Sophie (Melanie Thierry) herumschlagen, die sich Feinde bei den UN-Truppen macht und das Team in bürokratische Probleme verwickelt. Zu allem Übel erfährt der Chilene, der seinen Auftrag schnell erledigen und zurück zu seiner Frau in die Heimat will, dass seine Ex-Geliebte Katya (Olga Kurylenko) damit beauftragt wurde, über die Arbeit seines Teams einen Bericht zu schreiben. Zwischen bewaffneten Straßenkindern, gleichgültigen Dorfbewohnern und kompromisslosen UN-Soldaten versucht Mambru einfach nur den Tag zu überstehen.
„A Perfect Day“ hat im Grunde alle Zutaten für eine intelligente, charmante Farce über idealistische Weltverbesserer, deren humanistische Absichten durch die unverständliche Bürokratie anonymer Institutionen, durch zwischenmenschliche Komplikationen und ein surreal-morbides Kriegsgebiet immer wieder unterlaufen werden. Diejenigen, die lange im Einsatz sind, werden zu abgestumpften Melancholikern (Mambru) oder zu verwirrten Adrenalin-Junkies (B). Und Neuankömmlinge wie Sophie und Katya können noch so sehr versuchen, eine moralische Konstante zu sein, und werden doch immer wieder nur als naiv und weltfremd vorgeführt. Wie Robert Altman in seiner kultigen und deutlich stimmigeren Slacker-im-Krieg-Komödie „M*A*S*H“ versucht Fernando Léon de Aranoa sein ernstes Thema zu relativieren, indem seine Figuren ihren eigenen schwarzen Humor als Schutz vor dem Elend entwickeln. Doch „A Perfect Day“ ist zu überladen mit eindimensionalen Charakteren. Die namhaften, immer wieder auch Klasse durchscheinen lassenden Schauspieler scheitern mehrfach daran gegen die Unterforderung durch das träge Drehbuch des Regisseurs und seines Co-Autor Diego Farias anzuspielen. Zudem erschwert de Aranoa die Teilnahme des Zuschauers durch grobschlächtige Sprünge zwischen Tonarten (Komik, Tragik, Brutalität, Sanftheit) und einen nervigen Rockmusik-Soundtrack, der die Pointen von Szenen nochmal plump unterstreicht.
Fazit: „A Perfect Day“ verspricht Starkino mit politischem Engagement und eine böse Satire über kuriosen Culture Clash und Bürokratie in Kriegsgebieten. Doch stattdessen reicht es nur für eine hübsch fotografierte Fußnote im Antikriegsfilmgenre. Kein Reinfall, aber nicht mehr als solide Kost.