So richtig wird beim Schauen von „The Equalizer 2“ nicht klar, warum sich Denzel Washington ausgerechnet hier zum ersten Mal in seiner 40-jährigen Karriere zu einer Fortsetzung zu einem seiner Kassenhits breitschlagen ließ. Schließlich hat das Sequel dem Vorgänger von 2014, der wiederum lose auf der 80er-TV-Serie „Der Equalizer“ basiert, nichts wirklich Neues hinzuzufügen. Vielleicht lag es also einfach daran, dass Washington unbedingt zum vierten Mal mit seinem Lieblings-Regisseur Antoine Fuqua („Training Day“, „Die glorreichen Sieben“) zusammenarbeiten wollte. Aber wie dem auch sei: „The Equalizer 2“ ist ein Film für Fans des zweifachen Oscargewinners und trocken servierter Action der härteren Gangart, während sich die übrigen Zuschauer wohl eher an dem mäandernden Skript und den klischeehaften Selbstjustiz-Subplots stören dürften.
Robert McCall (Denzel Washington), der früher im Auftrag der Regierung Menschen umgebracht hat, dient seiner Community inzwischen als Lyft-Fahrer. So chauffiert er einen im Altersheim lebenden Holocaust-Überlebenden täglich für ein viel zu niedriges Fahrgeld durch die Gegend oder kümmert sich um die Entfernung von Graffitis, die Häuser verschandeln – und wenn eine Frau einsteigt, die offensichtlich kurz zuvor Opfer einer Vergewaltigung geworden ist, dann sorgt er dafür, dass die sich in ihrer Penthouse-Suite sicher fühlenden Peiniger nicht ungestraft davonkommen. Robert McCall ist die gute Seele des Viertels – und er erfüllt diese Aufgabe mit aller Gewalt, die dazu nötig ist.
Zugleich ermittelt McCalls ehemalige Chefin Susan Plummer (Melissa Leo) in Europa im Fall eines US-Agenten, der angeblich erst seine Frau und dann sich selbst erschossen haben soll. Gerade als sich die Hinweise mehren, dass die Sache auch ganz anders abgelaufen sein könnte, wird Susan in ihrem Hotelzimmer brutal ermordet – und so wird auch McCall wieder in sein altes Leben als staatlicher Killer hineingezogen, denn den Mord an seiner besten und einzigen verbliebenen Freundin kann er auf keinen Fall einfach so hinnehmen…
Robert McCall ist jemand, der nicht quatscht, sondern aufräumt. Jemand, den wohl die meisten Stammtisch-Populisten bei seinen eine breite Blutspur hinterlassenden Sauberkeits-Streifzügen grölend anfeuern würden, der zugleich aber auf eine nachdenkliche Art weise wirkt und „Auf der Suche nach der verlorenen Zeit“ von Marcel Proust liest. Nachdem sich das Remake des Selbstjustiz-Klassikers „Death Wish“ zuletzt als Rohrkrepierer erwiesen hat, ist McCall nun definitiv eine potentiell sehr viel spannendere und ambivalentere Figur als Bruce Willis‘ gelangweilt vigilierender Chirurg. Trotzdem zündet der Selbstjustiz-Teil von „The Equalizer 2“ viel zu selten – und das liegt vor allem an der fast schon sterilen Sauberkeit, mit der die einzelnen Aufräum-Miniaturen präsentiert werden.
McCall kümmert sich um einen jüdischen Holocaust-Überlebenden und den Gemüsegarten seiner muslimischen Nachbarin. Er lässt nicht zu, dass ein kunststudierender junger Schwarzer (Ashton Sanders) in die Fänge der ortsansässigen Gangs gerät und er holt die von ihrem Vater entführte Tochter seiner Buchhändlerin aus der Türkei zurück in die USA. Das alles wirkt viel zu kontrolliert, um wirklich zu provozieren – und es geht zugleich nur selten so weit, dass es zumindest auf eine politisch unkorrekte Guilty-Pleasure-Art Spaß bereitet: So richtig zündet die Selbstjustiz-Safari eigentlich nur, als sich McCall eine Gruppe verzogener, vollgekokster Business-Rich-Kids vorknöpft, die sich noch nicht mal an den Namen ihres Vergewaltigungsopfers, der neuen Praktikantin aus Papis Firma, erinnern können.
Im ersten Teil waren die speziellen Fähigkeiten von McCall, der vor einer Prügelei alle denkbaren Abläufe in seinem Kopf durchgeht und dabei auch alle möglichen Alltagsgegenstände im Raum nutzt, um seinen – sich meist in der Überzahl befindlichen – Widersachern den Garaus zu machen, eine der Hauptattraktionen. In „The Equalizer 2“ wird dieses Element nicht nur viel sparsamer eingesetzt, sondern auch weniger visuell herausgehoben – manch ein Zuschauer, der „The Equalizer“ nicht gesehen hat, dürfte sich am Ende des Films gar fragen, was McCall da eigentlich die ganze Zeit mit seiner digitalen Stoppuhr am Handgelenk angestellt hat.
Stattdessen ist das neue Actionhighlight mit einigem Abstand das tosende Finale, das in einem gerade evakuierten Küstenstädtchen stattfindet, wo nun nur noch McCall, seine Gegner und ein gewaltiger Orkan herumtoben. Nachdem zu Beginn noch ein großes Mysterium um den vermeintlichen Selbstmord des US-Agenten und den vermeintlichen Raubmord an Susan Plummer angedeutet wird, erledigen sich alle offenen Fragen schließlich in einer einzigen Szene. In dieser darf der wenig überraschende Schurke in einem der Situation wunderbar unangemessenen Setting noch ein paar schlaue, ambivalente Sachen sagen, nur um dann innerhalb einer Minute doch noch zum austauschbaren 08/15-Bond-Bösewicht zu mutieren. Es ist sehr wahrscheinlich, dass „The Equalizer 2“ ein besserer Film geworden wäre, wenn man sich nur für eine der zwei hier erzählten Geschichten entschieden oder sie zumindest konsequenter miteinander in Beziehung gesetzt hätte.
Fazit: Ein arg klischeehafter Selbstjustiz-Reißer und ein wenig überraschender Agenten-Actionfilm bremsen sich hier gegenseitig aus, auch weil es kaum Berührungspunkte zwischen den beiden Strängen gibt - und am Ende landet man bei einer unnötigen langen Laufzeit von zwei Stunden. So zehrt der erneut superbrutale „The Equalizer 2“ vornehmlich von Denzel Washingtons unerreichtem Leinwand-Charisma und dem großartigen Setting für das stürmische Finale.