Falsches Spiel mit Ahörnchen und Behörnchen
Von Sidney ScheringIm Juni 1988 veröffentlichte Disney unter dem Label Touchstone Pictures mit „Falsches Spiel mit Roger Rabbit“ eine einzigartige Film-noir-Hommage, in der ein menschlicher Privatdetektiv beweisen will, dass ein des Mordes verdächtigtes Cartoon-Karnickel unschuldig ist. Wenige Wochen später zeigte Disney als Preview die erste Episode der Zeichentrickserie „Chip & Chap – Die Ritter des Rechts“, die ab 1991 auch in Deutschland lief. In der Serie lüften die Streifenhörnchen Chip und Chap Entführungsfälle im Tierreich, helfen Kindern in Not oder bezwingen durchgeknallte Superschurken.
Sowohl „Falsches Spiel mit Roger Rabbit“ als auch die Streifenhörnchenserie wurden Kult und haben auch heute noch Fans in verschiedenen Altersgruppen. Trotzdem haben sie ihre am hellsten strahlenden Glanzzeiten hinter sich – weshalb der Disney+-Film „Chip & Chap – Die Ritter des Rechts“ gerade recht kommt. Sarkastische Stimmen werden Disney Kalkül vorwerfen, die Marke dann wiederzubeleben, wenn Fans von früher alt genug sind, um ihre eigenen Kinder weg von der „PAW Patrol“ und hin in Richtung Rettungstruppe schieben zu können. Selbst wenn in der Konzern-Führungsetage womöglich genau das der Gedanke war, wird diese zynische Sicht dem Film selbst nicht gerecht.
Trotz menschlicher Stars ...
Regisseur Akiva Schaffer nimmt die Streifenhörnchen, die Energie seiner urkomischen Musikbiz-Satire „Popstar: Never Stop Never Stopping“ und diverse Versatzstücke aus „Falsches Spiel mit Roger Rabbit“, um daraus eine turbulente Meta-Krimikomödie zu formen, die auf gesunde Weise albern ist und in der die titelgebenden Nager etwas Biss beweisen.
» "Chip & Chap – Die Ritter des Rechts" auf Disney+*
Chip (Stimme im Original: John Mulaney) und Chap (Andy Samberg) sind seit ihrer Schulzeit befreundet – und erleben mit ihrer Fernsehserie „Chip & Chap: Die Ritter des Rechts“ Quotenerfolge. Doch zwischen den Freunden kommt es zu unüberbrückbaren Differenzen und somit zur Absetzung ihrer Serie. Heute hangelt sich Chap von miesem Gig zu miesem Gig – selbst eine Umwandlung von Zeichentrick- zu Computeranimationsfigur befeuert seine Karriere nicht. Chip führt derweil ein unspektakuläres Leben als Versicherungsverkäufer. Doch als ihr Ex-Serienkollege Samson (Eric Bana) spurlos verschwindet, raufen sie sich zusammen, um erstmals einen realen Fall zu lösen. Aber das von realen Menschen und Trickwesen bevölkerte Los Angeles ist ein gefährliches Pflaster...
Das Streifenhörnchen-Duo Chip und Chap wurde einst als Gegenspieler für Disney-Cartoonhund Pluto eingeführt, hatte seinen ersten Popularitätsschub jedoch als Quälgeister des zornigen Erpels Donald Duck. Dann bekamen Ahörnchen und Behörnchen, wie sie einst in Deutschland hießen, an Indiana Jones und die Tom-Selleck-Serienfigur „Magnum“ angelehnte Kleidung verpasst, wurden zu Helden und hierzulande zudem umgetauft. Nun also die nächste Neuerfindung – und dann hat sich einer der Beiden auch noch umoperieren lassen... „Chip & Chap – Die Ritter des Rechts“ bleibt konsequent in der Inkonsequenz, wie diese Figuren eingesetzt werden!
Zudem aktualisiert der Film das in „Falsches Spiel mit Roger Rabbit“ erfolgte Element, das glanzlose Privatleben von Toons zu zeigen und Hollywood-Insiderwitze zu machen. Nun wird über Schönheitsoperationen, Auslandsauftritte während Karrieretiefs, neue Karrierehochs durch Nostalgiewellen und Convention-Auftritte geulkt. Eine Spur Nostalgie schwingt dennoch mit: Die Autoren Dan Gregor und Doug Mand betten die Entzauberung in eine Hommage an die Buddy-Cop-Actionkomödien der 1980er-Jahre. Chip und Chap sind zu Filmbeginn zerstritten, doch durch das gemeinsame Ermitteln in einem Fall, an den sie mit persönlichem Interesse herantreten, wachsen sie wieder zusammen. Bis weiterhin nicht überkommene Differenzen drohen, sowohl ihre Freundschaft erneut im Keim zu ersticken, als auch dafür zu sorgen, dass der Fall zum Reinfall wird...
... bleiben natürlich Chip und Chap im Mittelpunkt.
Hinzu kommen glaub- und unglaubwürdige Zeug*innen sowie ein Undercover-Einsatz in der finstersten Ecke der Stadt. Genrefans kennen die hier ver-toon-ten Konventionen, das jüngere Publikum bekommt eine Art Vorgeschmack, bis es alt genug für die „echten“ Genrevertreter ist. Theoretisch erinnert das an den tonalen Drahtseilakt von „Falsches Spiel mit Roger Rabbit“, in der Praxis muss „Chip & Chap – Die Ritter des Rechts“ hier den Vergleich mit seinem großen Vorbild scheuen. Weder Gregors und Mands Schreibe noch Schaffers Inszenierung vermag es, ein derartig vollumfängliches Buddy-Actionkomödien-Feeling mit allen Ecken und Kanten aufkommen zu lassen, wie „Falsches Spiel mit Roger Rabbit“ noch dem Film noir gerecht wurde.
Hinsichtlich der Uneitelkeit, mit der zahlreiche bekannte sowie auch neu für den Film erschaffene Animationsfiguren in eine reale Welt integriert werden, wird „Chip & Chap – Die Ritter des Rechts“ seinem Vorgänger im Geiste hingegen gerecht: Schaffer vermeidet es tunlichst, einen abendfüllenden Disney+-Werbespot zu inszenieren, sondern kreiert ein ebenso sonniges wie unattraktives Los Angeles, in dem Trickfiguren diverser Studios durch die Straßen latschen. Und während manche von ihnen „privat“ exakt so sind wie in ihren bekannten Rollen, entzaubern sich andere als lächerlich, heruntergekommen, dubios oder gar vollauf boshaft.
Im Zusammenspiel mit der nahtlosen Integration zwischen realen Elementen und mehreren Animationsstilen schafft Schaffer eine überzeugende Erdung für seinen ironiegetränkten, metafiktionalen Wahnwitz. Von Seitenhieben auf Hollywoods anhaltende Franchise-Sucht, die von genervt über albern bis selbstironisch reichen, über kreative Spielereien mit der inneren Logik dieses Films, bis hin zum komödiantisch untermauerten Schnellfeuer-Fanservice: „Chip & Chap – Die Ritter des Rechts“ hat eine ähnliche Pointen-Taktung wie „Popstar: Never Stop Never Stopping“, auch wenn die Trefferquote etwas niedriger ausfällt, da das konventionelle Erzählgerüst gelegentlich den Gags auf die Pfoten tritt.
Allerdings gelingt es Schaffer, Gregor und Mand, zwischen den vielen Seitenhieben, Referenzen und Gaga-Momenten ihren Titelfiguren genügend Raum zu geben. So wird ihre Dynamik zu einem zuverlässigen, erzählerischen Rückgrat. Die früheren Inkarnationen von Chip und Chap scheinen konstant durch, gleichzeitig funktionieren sie als verhärmtes Showbiz-Duo, das lernen muss, wieder einander zu trauen. Die neuen Figuren, inklusive KiKi Layne („Beale Street“) als menschliche Polizistin und Verehrerin der alten „Chip & Chap“-Trickserie, treten derweil in den Hintergrund und sind oftmals bloße Stichwortgeber.
Die beiden Ritter des Rechts begeben sich bald in größte Gefahr.
Dadurch verschenkt der Film zwar Potential, allen Querverweisen zum Trotz auch eine mehrdimensionale eigene Welt zu kreieren. Im Gegenzug überrascht regelmäßig, dass die Stichworte und Antworten darauf oftmals mehr Biss haben, als man Disney derzeit sonst zutraut.
Fazit: „Chip & Chap – Die Ritter des Rechts“ ist ein flott erzählter, bewusst chaotischer Mischmasch aus zahlreichen Einflüssen, der mit selbstironischem Witz über Hollywoods Ideenmangel herzieht. Die spürbare Begeisterung der Filmschaffenden für seine Titelhelden ist ein schöner Nostalgiebonus, doch gerne hätten auch die eigenständigen Aspekte des Films so viel Hingabe erhalten dürfen.
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