Üblicherweise gehen Filme den umgekehrten Weg – doch Mo Asumangs Dokumentation „Die Arier“, die auf Festivals zwischen Phoenix und Shanghai schon Preise abgeräumt hat, kommt erst nach ihrer TV-Ausstrahlung im Frühjahr 2014 noch für einige Vorstellungen auf die große Leinwand. Asumang, am bekanntesten wohl immer noch als Moderatorin der ProSieben-Erotikshow „liebe sünde“, erhielt 2002 Morddrohungen im Song einer Neonaziband und nahm dies zum Anlass für ihr Regiedebüt „Roots Germania“, das sie 2007 fertigstellte. In ihrer aktuellen Arbeit macht sie sich auf die Suche nach den Wurzeln der anderen: Was sind eigentlich genau „Arier“? Und wofür und wogegen sind die Rechtsextremisten von heute? Ja, das klingt naiv, und diese Naivität ist Stärke und Schwäche des Films zugleich.
Asumang hat die Chronik einer Recherche montiert, sie ist stets präsent im Bild, als Suchende und Fragende. So ergibt sich zum einen die Relativierung des Autoritätsgestus‘ mancher Dokumentarfilmer, die immer alles zu wissen scheinen. Andererseits ist die charmante Insistenz der Afrodeutschen für manche ihrer Gesprächspartner zweifelsohne eine Provokation. NPD-Demonstranten schweigen sie stur an, die Einwohner eines von Neonazis dominierten Ortes im ländlichen Mecklenburg-Vorpommern formulieren vor allem ihre Angst. Asumang besucht Burschenschaftler und Forscher – darunter ein reichlich verspinnerter Ufologe – und sie reist in den Iran, wo der Begriff des „Ariers“ seinen Ursprung hat. Repräsentanten des Ku-Klux-Klan grüßen sie in den USA im Vorbeifahren mit erhobenem Arm und lassen sich nur auf einem einsamen, dunklen Feld in voller Kapuzenmontur befragen. Und der amerikanische „White Pride“-Aktivist Tom Metzger outet sich als „tree hugger“.
Um eine Psychopathologie des Rechtsextremismus scheint es Asumang also zu gehen: Die Neonazis müssen kollektiv auf die Couch bei dem bekannten linken Publizisten Klaus Theweleit, der ihnen einen „fragmentierten Körper“ bescheinigt, eine ständige, verzweifelte Suche nach Einheit und Identität. Und es scheint ja auch vollkommen schlüssig, das ständige Ausweichen und Stammeln der Interviewten legt eine große Verunsicherung nahe. Allzu leicht lässt sich überheblich der Kopf schütteln etwa über einen Berliner Autor, der erklärt, die Arier kämen vom Stern Aldebaran und unsere Erde sei eine Strafkolonie. Den Umweltfreund Tom Metzger, einer der wenigen Befragten, die als einigermaßen schlagfertige Demagogen vor der Kamera erscheinen, hält Asumang dann auch unverhohlen für einen Geschäftemacher ohne echte politische Überzeugungen.
Und die Arier? Die sind ethnologisch, wenn überhaupt, dann in Indien und im Iran zu verorten, wo Asumang einer Gruppe Menschenfreunde begegnet, die über den rassistischen Missbrauch dieses Begriffes pflichtschuldig ihre Empörung bekunden. Germanen? Nordische Rasse? So ein Quatsch! Als Zuschauer darf man sich also köstlich darüber amüsieren, wie doof all diese Extremisten doch sind. Einem Aussteiger aus der Szene, den Asumang sechs Monate nach dem ersten Gespräch wiedersieht, sagt sie aufmunternd: „Du siehst richtig erwachsen aus.“ Ihr Film ist in vielem entlarvend, gleichzeitig humorvoll und sensibel. Dem politischen Phänomen dieser Ideologie, deren Fragmente sich auch immer wieder in der bürgerlichen Mitte finden lassen, kommt Asumang mit ihrer individuellen, sehr persönlichen Herangehensweise aber nicht nahe genug.
Fazit: Die Afrodeutsche Mo Asumang balanciert auf der Suche nach den Ariern und den Ideen der Rechtsextremisten recht erfolgreich auf dem schmalen Grat zwischen Unterhaltung und Aufklärung – geht aber über rein individualpsychologische Erklärungsmuster nie hinaus.