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    White Shadow
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,5
    durchschnittlich
    White Shadow
    Von Michael Meyns

    Im ländlichen Afrika sitzt der Aberglaube oft noch tief: Wenn da jemand an einer ungewöhnlichen Krankheit leidet, wird häufig nicht der westlichen Medizin vertraut, sondern dem lokalen Witch Doctor, der im Zweifelsfall brachiale Heilungsmethoden anordnet. Die Folgen sind bei der aktuellen Ebola-Epidemie zu sehen, die zum Ausstoß von Betroffenen aus der Dorfgemeinschaft führen kann, zu sozialer Ächtung oder im schlimmsten Fall zu mörderischer Selbstjustiz. So ähnlich ergeht es oft auch den mit Albinismus geboren Menschen, die in Afrika noch mehr aus der Masse der Bevölkerung herausstechen als in Europa: Sie werden als Aussätzige betrachtet, oft gejagt, ihre Organe als Zutaten für mystische Zaubergetränke verwendet. Von all dem erzählt der in Berlin lebende israelische Regisseur Noaz Deshe in seinem Drama „White Shadow“ und inszeniert das tragische Schicksal des Albinos Alias als bildgewaltigen Exzess. So eindringlich das in Momenten auch ist, bewegt sich Deshe doch auch immer wieder ganz nah an purer Exploitation.

    Nachdem sein Vater (Tito D. Ntanga) ermordet wurde, wird der Albino-Junge Alias (Hamisi Bazili) von seiner Mutter (Riziki Ally) in die große Stadt (der Name wird nicht genannt, doch es handelt sich um die Metropole Dar es Salaam in Tansania) geschickt. Eine Zeitlang kann Alias hier in relativer Sicherheit leben und er verdingt sich als bezahlter Trauernder bei Beerdigungen. Doch bald holt die Realität des Landes ihn ein: Zusammen mit dem selbsternannten Hexenmeister Salum (Salum Abdallah) landet er kurzzeitig in einem Heim für Albino-Kinder, dann verliebt er sich in das junge Mädchen Antoinette (Glory Mbayuwayu) und findet sich bald auf der Flucht vor skrupellosen Organhändlern wieder, die seine Innereien auf dem Schwarzmarkt verkaufen wollen.

    So flirrend sich diese Geschichte anhört, so flirrend sind auch die Erzählform und vor allem der visuelle Stil, die Noaz Deshe in seinem Spielfilmdebüt verwendet. Der Film ist in losen aneinandergereihten, oft kaum zusammenhängenden Szenen erzählt, deren Sinn und Bedeutung zuweilen unklar bleiben: Diese betont fragmentarische Erzählweise soll wohl den Geisteszustand des Protagonisten spiegeln. Ähnlich extrem sind auch die Bilder, die Deshe und sein Kameramann Armin Dierolf dabei finden: Bunte, grelle, oft blutige Aufnahmen sind das, impressionistische Schnappschüsse, bei denen im Zweifelsfall jeweils die extreme Variante den Vorzug bekommen zu haben scheint. Eine differenzierte Darstellung vom Leben eines Albinos in einem afrikanischen Land ist bei dieser Herangehensweise nicht zu erwarten - und das ist hier letztlich auch das Problem.

    Fraglos ist die Verfolgung von Menschen mit Albinismus (und anderer Minderheiten) in Afrika ein relevantes Thema, auf das auch die Kunst aufmerksam machen sollte. Doch wenn dies auf derart reißerische Weise passiert wie hier, dann bewegt sich ein Regisseur auf gefährlichem Terrain. Gerade wenn es sich nicht um einen einheimischen Regisseur handelt, der über Missstände in seinem Land berichtet, sondern wenn der Blick von außen erfolgt, wenn eine westliche Crew in ein fremdes, exotisches Land kommt, um dort einen Film zu drehen. Es ist erkennbar, dass es Deshe darum geht, Mitgefühl für die geschundenen Menschen zu wecken, doch wie er sich in den Exzess stürzt, wie er afrikanischen Aberglauben und Hexenkult mit oft an Voyeurismus grenzender Begeisterung filmt, lässt „White Shadow“ immer wieder die Grenze zum Exploitation-Kino streifen. Von einem Extremfall wie Jürgen Goslars Exploitation-Klassiker „Albino“ von 1976 ist Noaz Deshes Film zwar noch deutlich entfernt, aber seine problematische Vorliebe für das Plakative geht auf Kosten der thematischen Substanz.

    Fazit: In seinem Debütfilm „White Shadows“ inszeniert der israelische Regisseur Noaz Deshe die Verfolgung von Albinos in Afrika als bildgewaltigen, fast surrealen Trip, bei dem die hehren Intentionen immer wieder durch allzu reißerische Bilder überschattet werden.

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