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    Mademoiselle Hanna und die Kunst Nein zu sagen
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,0
    stark
    Mademoiselle Hanna und die Kunst Nein zu sagen
    Von Katharina Granzin

    Dass Komik und Tragik nah beieinanderliegen können, weiß man ja im Prinzip. Aber es grenzt fast an Zauberei, wie leichtfüßig die französisch-algerische Regisseurin Baya Kasmi beides in einen Film integriert, dessen neckischer deutscher Verleihtitel „Mademoiselle Hanna und die Kunst Nein zu sagen“ nicht im Entferntesten ahnen lässt, welche cineastische Wundertüte sich dahinter verbirgt. Familiengeschichte und Liebesfilm, Psychodrama und Multikulti-Komödie, all das steckt in einem einzigen Drehbuch (Autoren: Baya Kasmi, Michel Leclerc), dessen filmische Umsetzung so beschwingt gelingt, dass die mitgelieferte Lebensfreude Zuschauern sowie Protagnisten problemlos über die zahlreichen dunklen Momente hinweghilft. Kasmi erzählt am Beispiel zweier Geschwister, die im Erwachsenenalter diametral verschiedene Lebenswege einschlagen, von Kindheitstraumata, von der Mühsal des Erwachsenwerdens und -seins und dem nicht immer glückenden Bestreben, den richtigen Platz im Leben zu finden.

    „Sie sind kompatibel mit Ihrem Bruder.“ Mit diesen zweideutigen und wie wir schnell feststellen sollen, ebenso ironischen Worten lernen wir Hanna (Vimala Pons) kennen. Die attraktive, lebenslustige junge Frau ist die Tochter zweier bekennender Atheisten, einer Französin und eines Algeriers. Mit ihrem Bruder Hakim (Mehdi Djaadi) ist sie im Gegensatz zu den einleitenden Worten aber absolut inkompatibel, weil jener sich zu einem frömmlerischen, Djellabah-tragenden, religiösen Eiferer entwickelt hat, während Hanna offensiv kurze Röcke anzieht und ihre Sexualität sehr frei auslebt. Die Geschwister wollen schon lange nichts mehr miteinander zu tun haben. Doch Hakim ist schwer nierenkrank und Hanna hat beschlossen, sich als Organspenderin zur Verfügung zu stellen. Es ist eine heikle Konstellation, die komödiantisch weiter dadurch verkompliziert wird, dass Hanna im Krankenhaus von einem echt netten Typen (Laurent Capelluto) mit einer Frau verwechselt wird, die er einmal gekannt hat. Aus reinem Mitleid schafft sie es nicht, das Missverständnis aufzuklären, als er sie bittet, ihn zu begleiten, um von seiner frisch verstorbenen Mutter Abschied zu nehmen. Denn Hanna leidet an einer Neurose, die sich in übergroßer Hilfsbereitschaft ausdrückt. Männern, denen es schlecht geht, vor allem jenen, die sie als Personalchefin einer großen Firma entlassen muss, pflegt sie zum Trost ihren Körper anzubieten. Daher ist es kein Wunder, dass der Mann, in den sie sich verliebt, sie für eine Prostituierte hält.

    Komödienkonform wird die Handlung von einer ganzen Reihe unwahrscheinlicher Ereignisse und überdrehter Figuren vorangetrieben. Dabei gibt es viel zu lachen, sogar – eine wirklich seltene Kunst - in manchen Sexszenen. Davon hat der Film übrigens, obwohl Sex ein großes Thema ist, gar nicht so viele, wie man denken sollte – auch wenn man jede Menge nackte Männer zu sehen bekommt. Sogar diese Auftritte sind komisch gestaltet. Ein altes Sprichwort sagt allerdings, dass Komik und Tragik oft nah beieinander liegen – so ist es mit Hanna und dem Sex in ihrem Leben auch. Dass die junge Frau als Kind missbraucht wurde, dass darüber ihre enge Beziehung zum Bruder zerbrach, dass sich beide ihr Leben lang an unverarbeiteten Kindheitserlebnissen abgeschleppt haben, kommt nach und nach ans Licht. Hinter der bunten Fassade der turbulenten Komödie liegt so manche dunkle Kammer. Auf die ganz reizenden, wenn auch allzu ahnungslosen Gutmenschen-Eltern (Agnes Jaoui, Ramzy Bedia) der Geschwister lässt Regisseurin Baya Kasmi in ihrem Film allerdings nichts kommen. Die Familie, so lässt sich deutlich zwischen den Bildern lesen, geht doch über alles und ist das, was im Leben am meisten zählt. Eine im Grunde erstaunlich bodenständige Botschaft für einen in seiner Genremischung ausgesprochen originellen Film. Der bleibt trotz aller dramatischen Momente und Traumata auch immerzu eine Komödie, was auch mit dem positiven Ende noch einmal deutlich wird.

    Fazit: „Mademoiselle Hanna und die Kunst Nein zu sagen“ ist eine geistreich überdrehte Genremischung aus Frankreich. Regisseurin Baya Kasmi verwebt Komik und Tragik, Irrungen und Wirrungen zu einer überaus charmanten Komödie um eine allzu freundliche junge Frau, die immer sehr kurze Röcke trägt.

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