Die israelische Filmemacherin Ester Amrami lebt seit zehn Jahren in Berlin. „Anderswo“ ist ihr Spielfilmdebüt. Der Film hatte seine Premiere auf der Berlinale 2014 und wurde bereits mit mehreren Preisen ausgezeichnet. Amrami nennt als das Thema ihres fein beobachteten Dramas das Gefühl der Heimatlosigkeit, das sie aus eigener Erfahrung bestens kennt. Überhaupt scheint die Protagonistin fast ein Alter Ego der Regisseurin und Autorin zu sein. „Anderswo“ kommt dies jedoch sehr zugute: Der Film zieht den Zuschauer langsam, aber unaufhaltsam in seinen Bann.
Die Israelin Noa (Neta Riskin) studiert sein acht Jahren in Berlin. Aber obwohl sie gerade mit ihrem Freund Jörg (Golo Euler) zusammengezogen ist, scheint ihr Leben in einer Sackgasse zu stecken. Im kalten Deutschland fühlt sie sich nach wie vor fremd. In Interviews für ihre Abschlussarbeit - ein Lexikon der unübersetzbaren Wörter - ringen Menschen aus verschiedenen Ländern darum, auf Deutsch Wörter ihrer Muttersprache zu erklären, die keine deutsche Entsprechung haben. Den Anfang macht bezeichnenderweise ein Portugiese mit dem Begriff „Saudade”, der nur unzureichend mit einer Mischung aus Melancholie und Sehnsucht übersetzt werden kann. Zu diesem Zeitpunkt glaubt wahrscheinlich auch Noa, dass sie in Berlin unter einer Art von „Saudade“ leidet.
Als ihr Arbeitsthema abgelehnt wird, flüchtet Noa deshalb förmlich nach Israel, doch auch dort kommt sie nicht zur inneren Ruhe. Die ständigen Streitereien mit ihrer unglaublich dominanten Mutter (Hana Laslo) machen ihr das Leben in der Heimat schnell wieder zur altbekannten Hölle. Als auf einmal unangekündigt und völlig überraschend Jörg zu Besuch kommt, spitzt sich die Situation immer weiter zu. Die zwischen Freude und Verzweiflung schwankende Noa erkennt, dass sich irgendetwas in ihrem Leben ändern muss. Aber was? Die Ruhe-, Halt- und Orientierungslosigkeit der jungen Frau zwischen zwei Kulturen, die sich an einem Wendepunkt des eigenen Lebens befindet, wird ohne Larmoyanz und simple Vereinfachungen, dafür mit Einfühlungsvermögen und viel Gespür für innere Spannungen zum Ausdruck gebracht.
Fazit: Das Spielfilmdebüt „Anderswo“ zeigt auf gelungene Weise, dass das Gefühl des „Ankommens“ nicht von dem Ort abhängt, an dem man sich aufhält, sondern viel mehr eine Frage der inneren Ausgeglichenheit ist.