„Minimalismus“ scheint seit Jahren das Zauberwort bei der Auswahl der Beiträge der Filme auf vielen renommierten Filmfestivals zu sein. Während gerade das (amerikanische) Mainstreamkino à la „Transformers“ immer mehr Wert auf bombastische Schauwerte legt und auf eine größeres Publikum zielende „Arthouse“-Filme wie „Ziemlich beste Freunde“ oder „Monsieur Claude und seine Töchter“ vor allem Emotionen ansprechen, geht es auf vielen Festivals ausgesprochen unterkühlt zu. Dies gilt besonders für einen Großteil der Filme, die im Forum der Berlinale ihre Premiere erleben – so wie „Sto Spiti – At Home“ im Jahr 2014. In klaren, fast immer starren Scope-Einstellungen filmt der griechische Regisseur Athanasios Karanikolas dann auch seine Protagonisten – eine Familie und ihre Haushälterin – und entwickelt durch ruhige Beobachtungen des meist banalen Alltags seine Geschichte. In der erzählt er vom schönen Schein des Geldes, den nicht zu überbrückenden Gegensätzen zwischen Ober- und Unterschicht und den Folgen der Wirtschaftskrise.
Wie eine Festung steht der fast völlig aus Beton und Glas bestehende Bungalow hoch auf einer Klippe von Marathon, im Herzen Griechenlands. Hier lebt das wohlhabende Paar Stefanos (Alexandros Logothetis) und Evi (Marisha Triantafyllidou) zusammen mit ihrer Tochter Iris (Zoi Asimaki). Neben dem Pferd Spartakos ist die Haushälterin Nadja (Maria Kallimani) so etwas wie ein weiteres Familienmitglied. Gerade für Iris ist Nadja wichtiger Bezugspunkt, doch all das ändert sich mit der aufkommenden Wirtschaftskrise. Stefanos Geschäfte gehen schlecht und dann wird bei Nadja auch noch eine schwere Krankheit diagnostiziert. So nah das Verhältnis bislang auch wahr, plötzlich ist alles anderes und Nadja steigt vom quasi Familienmitglied zu einer Angestellten ab. Und Angestellte kann man einfach entlassen…
Schon der Schauplatz Marathon und der Name Spratkos deuten eine mythische Dimension an, die durch die lichtdurchfluteten Bilder von Kameramann Johannes Louis („Lamento“) noch betont werden. Die griechische Landschaft, Schauplatz so vieler Sagen und Legenden, ist heute jedoch nur noch eine karge Landschaft, in der die Villa der Familie wie eine Festung auf dem Berg steht. So sommerlich und lieblich wirkt die Natur, wirkt das Leben der Familie, dass sich die Veränderungen umso drastischer auswirken müssten. Doch genau das passiert nicht. Das Licht bleibt grell, die Farben bleich und auch die wenigen Unterhaltungen zwischen der Familie und Nadja ändern sich kaum.
In starren, streng komponierten Einstellungen beobachtet Athanasios Karanikolas das Geschehen, inszeniert kalte Räume, deren Farben ebenso dezent und zurückhaltend sind, wie die immer einfarbigen, immer zurückhaltenden Kostüme der Figuren. Ganz unterschwellig, kaum wahrnehmbar wird das sich verändernde Verhältnis beschrieben, das sich durch die Geldnöte der Familie und der drohenden Entlassung Nadjas entwickelt. Von Wut oder Enttäuschung auf Seiten Nadjas kann keine Rede sein, stoisch fügt sie sich in ihr Schicksal, fällt geradezu selbstverständlich in die Rolle der Angestellten zurück.
So exquisit das alles gefilmt ist, man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, das man in den vergangenen Jahren – gerade auch aus Griechenland („Dogtooth“, „Alpen“) – schon einige Filme gesehen hat, die ebenso streng und perfekt komponiert waren, die ebenfalls schweigsame Figuren gezeigt haben und auf ähnliche Weise auf Tiefe durch Strenge bauten, bei denen das Gesamtkonzept aber schlussendlich noch überzeugender war. Das große Prunkstück von „Sto Spiti – At Home“ ist dann aber Hauptdarstellerin Maria Kallimani („Stratos“), die trotz großer Schweigsamkeit eine bemerkenswert enigmatische, faszinierende Darstellung abliefert. Vor allem sie und die konsequente Kargheit lassen Athanasios Karanikolas‘ Film zu einem zwar sehr typischen, aber auch sehenswerten Vertreter des Minimalismus werden.
Fazit: Athanasios Karanikolas erzählt in “Sto Spiti - At Home” in kargen, durchkomponierten Bildern von gesellschaftlichen Barrieren, die im Schatten der Wirtschaftskrise zum Vorschein kommen. Das ist dank starker Bilder und einer überzeugenden Hauptdarstellerin sehenswert.