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    Vaiana
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,0
    stark
    Vaiana
    Von Andreas Staben

    Im Vorfeld des Kinostarts von Disneys „Vaiana“ gab es einige Diskussionen darüber, ob die Macher aus dem Mäusekonzern mit ihrer im Südpazifik angesiedelten Geschichte nicht einmal mehr kulturelle Vorurteile und ethnische Stereotype befördern würden. Die Verantwortlichen bei Disney gaben sich einsichtig und ein von Maori-Repräsentanten heftig kritisiertes Halloween-Kostüm des unter anderem angeblich zu dicken Halbgotts Maui wurde schließlich aus dem Verkauf genommen. Und auch dem fertigen Film ist das Bemühen um eine politisch korrekte, progressive und positive Perspektive deutlich anzumerken. Das hat „Vaiana“ (außer Jared Bush, einen der Drehbuchautoren) mit „Zoomania“ gemeinsam, dem zweiten großen Disney-Animationsfilm des Jahres 2016, aber hier rückt es nicht so stark in den Vordergrund wie dort. Stattdessen legt das eingespielte Regieduo Ron Clements und John Musker, das mit den handgezeichneten Klassikern „Arielle, die Meerjungfrau“ und „Aladdin“ schon bei der Disney-Renaissance um 1990 herum eine wichtige Rolle gespielt hat, mit seinem ersten computeranimierten Spielfilm ein aufregendes, in mancher Hinsicht klassisch anmutendes Abenteuer mit vielen überwältigend schönen Bildern, flotter Musik und einer starken Heldin vor.

    Das Südseeinselchen Motunui ist ein Paradies auf Erden und bietet seinen Bewohnern alles, was das Herz begehrt. Umso leichter fällt es ihnen, sich an die vom Stammesoberhaupt Tui (Stimme im Original: Temuera Morrison) ausgegebene Maxime zu halten: Niemand darf die unmittelbare Umgebung der Insel verlassen und über die Grenzen des Riffs hinaus aufs Meer fahren. Einzig Tuis 16-jährige Tochter Vaiana (im Original: Auli’i Cravalho/deutsche Stimme: Lina Larissa Strahl) wird von einem unbändigen Verlangen getrieben, die große weite Welt zu entdecken. Als eines Tages die Kokosnüsse verderben und die Fischer mit leeren Netzen heimkommen, weiß Vaiana dank der aufregenden Erzählungen ihrer Oma Tala (Rachel House), was sie zu tun hat: Sie muss den Halbgott Maui (Dwayne Johnson/Andreas Bourani) finden, der die Probleme verschuldet hat und ihn dazu bringen, seinen Fehler wiedergutzumachen. Also setzt sie sich über alle Verbote hinweg und bricht zu einer abenteuerlichen Reise auf...

    Wenn du ein Kleid trägt und von einem tierischen Sidekick begleitet wirst, dann bist du eine Prinzessin!“: Mit diesen Worten erinnert Maui die protestierende Vaiana an ihre Bestimmung und uns alle an die lange Tradition der Disney-Prinzessinnen. Doch die bekommt hier einen modernen emanzipatorischen Dreh, wenn die selbstbewusste Moana (so Vaianas Name im Original, der in Deutschland aus rechtlichen Gründen nicht verwendet werden konnte) ihr Schicksal schließlich selbst in die Hand nimmt. Und außerdem hat der Teenager nicht nur gesündere Körpermaße als die meisten seiner megaschlanken Vorgängerinnen, sondern kommt sogar ohne Liebesgeschichte aus. Diese willensstarke junge Frau trifft hier auf den Hallodri-Halbgott Maui, der sich unheimlich toll vorkommt und gern seine eigenen Heldentaten besingt (das augenzwinkernde „You're Welcome“), aber ohne seinen magischen Fischhaken ziemlich kleinlaut wird. Eine hübsche Idee ist es da, dass die ansonsten recht eindimensionale Figur immer wieder Zwiesprache mit ihren lebendigen (!) Tätowierungen hält. Übergewichtig wirkt der trickfilmtypisch stilisierte Maui übrigens nicht, sein Körperbau erinnert dagegen etwas an seinen muskelbepackten Sprecher Dwayne Johnson, der nebenbei bemerkt selbst hawaiianische Wurzeln hat.

    Das Geplänkel zwischen Vaiana und Maui ist oft recht amüsant, aber dreht sich auf die Dauer auch etwas im Kreis. So ist die Abwechslung willkommen, für die der Hahn Heihei (Alan Tudyk) mit seiner unglaublichen Dummheit sorgt. Die recht gut dosierten Auftritte von Vaianas gefiedertem Begleiter bringen eine heitere Note in den ansonsten vorwiegend dramatischen Film, aber die wenigen popkulturellen Gags (Stichwort: Twitter) und Insider-Anspielungen zünden in diesem Umfeld nicht. Besser funktioniert wiederum die Musik von Mark Mancina („Tarzan“, „Bärenbrüder“), Opetaia Foa’i und Broadway-Sensation Lin-Manuel Miranda („Hamilton“), die das Abenteuer mit ihrer Dynamik nach vorne treibt und den Konflikten Widerhall gibt. Ein echter Ohrwurm ist vor allem Vaianas Song „How Far I'll Go“, auch wenn er nicht ganz an den vergleichbaren „Let It Go“ aus „Die Eiskönigin“ herankommt.

    Die allergrößte Stärke des Films ist indes seine visuelle Ausdruckskraft: Die oft bezaubernd schönen, gelegentlich aber auch melancholischen oder düster-unheimlichen Bilder hauchen „Vaiana“ Herz und Seele ein. An der Farbenpracht des Wassers (die Palette von Blau-, Grün- und Türkistönen scheint geradezu unendlich zu sein), an den glitzernd-sprühenden Wellen und den traumhaften Insellandschaften kann man sich kaum satt sehen, die entfesselte Kamera findet immer wieder neue Perspektiven - die Filmemacher ziehen uns mitten hinein in das Abenteuer. So vertraut einem die Geschichte über Selbstfindung und zu überwindende Hindernisse vorkommen mag, so überraschend sind zuweilen die immer wieder wechselnden Stimmungen. Besondere Höhepunkte sind die „zweidimensionalen“ Zeichnungen zu Mauis Vorgeschichte, eine Unterwassersequenz, in der die Protagonisten es mit allerlei unheimlichem Meeresgetier zu tun bekommen und die für kleine Kinder etwas zu düstere finale Konfrontation mit einem Feuermonster. Wie diese mitreißende Actionsequenz schließlich aufgelöst wird, ist reine Poesie und bringt eines der zentralen Themen – die besondere Beziehung zwischen Mensch und Natur – berührend auf den Punkt.  

    Fazit: Ein visuell berauschendes Animationsabenteuer, in dem Disney-Traditionen auf zeitgemäße Weise fortgeführt werden.

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