Nach Auschwitz könne man kein Gedicht mehr schreiben, meinte einmal der Philosoph Theodor W. Adorno. Auch wenn Adorno später sein Diktum relativierte – die Diskussion über die Berechtigung und die Rolle von Kunst nach diesem Einschnitt blieb und dazu gesellten sich bald Fragen nach der Legitimität und dem Wert von künstlerischen Darstellungen der Shoah selbst. Der französische Filmemacher Christophe Cognet stellt diese nun in seiner Dokumentation „Weil ich ein Künstler war“ anhand von Kunstwerken, die entweder in den Vernichtungslagern entstanden oder durch das dort Durchlittene inspiriert sind, ein weiteres Mal. Zwischen dem Ethos des Erinnerns und der Notwendigkeit einer kritischen Position hält Cognet überzeugend die Waage, auch wenn speziell ästhetische Erwägungen in seinen Betrachtungen ein wenig zu kurz kommen. Doch das Wichtigste ist, dass er mit der einfühlsamen und respektvollen Präsentation dieser beklemmenden Zeichnungen, Gemälde und Skulpturen ein beeindruckendes und berührendes filmisches Zeugnis schafft.
„Ich wage es nicht zu sagen. Ich sollte es nicht sagen. Aber für einen Maler war es unglaublich schön.“ Mit diesen Worten charakterisierte der Künstler Zoran Music in einem Interview seine Empfindungen, als er nach Dachau deportiert wurde und die Leichenberge sah. Mit diesem Zitat konfrontiert Regisseur Cognet andere Künstler, die den Holocaust ebenfalls überlebt haben: Kann Kunst über die Shoah schön sein? José Fosty findet Musics Haltung nachvollziehbar, während es für Walter Spitzer auf den Künstler ankommt. Klar ablehnend äußert sich Samuel Willenberg, Schöpfer düsterer Skulpturen und Zeichnungen über das Vernichtungswerk in Treblinka. Die Reaktionen sind so verschieden wie die Formen, die die Künstler für ihre Beschäftigung mit dem Grauen gewählt haben – und ebenso divers wie das jeweilige Anliegen, das mit den entstandenen Arbeiten verbunden wurde und wird. Diese formale und inhaltliche Vielfalt der dem Massenmord abgerungenen Artefakte demonstriert Cognet mit Unterstützung von Historikern und Kuratoren.
Mit dem polemischen Einstieg und der folgenden lebhaften Debatte um Schönheit in der Kunst aus und über Auschwitz sorgt Cognet für Aufmerksamkeit. Es ist die Uneinigkeit der Befragten, über die er dann ein Gefühl für die Komplexität dieser Fragen weckt. Sensibel lädt Cognet zum eigenen Nachdenken angesichts der Kunstwerke ein. Langsam und behutsam, um jeder Eigenart im Bleistift- oder Pinselstrich gebührende Achtung zu schenken, tastet die Kamera von Nara Kéo Kosal die Bilder ab, die auf Zeitungsausrissen, auf Packpapier, auf gestohlenen SS-Formularen das Entsetzen zu fassen versuchen. Entladung der Deportierten, Hineintreiben ins Lager, brutalste Arbeit, Offiziere, die plaudernd neben Erhängten stehen, schließlich die Gaskammern und Krematorien in vollem Betrieb: Die Stufen des Leidens und der Auslöschung erscheinen mal als Bildergeschichte wie ein Comic, mal als expressionistisch-symbolistische Radierung, mal als Porträt der Gemarterten.
Zum Teil handelt es sich bei den Werken um einzigartige Zeugnisse, die bisher noch in keinem anderen Medium dokumentiert worden sind. Doch auch sie, das weiß Cognet, bedürfen der Deutung und des Hinterfragens – und nicht immer gibt es Antworten. Als der Filmemacher die sehr sinnliche Darstellung der Frauen in einer erschütternden Zeichnung über die Ermordung in den Gaskammern anspricht, fällt die Entgegnung des Gedenkstättenleiters in Ravensbrück ausweichend aus. Wenn an anderer Stelle Walter Spitzer darauf beharrt, dass sein Gemälde einer schwangeren Frau, die vergast wird, auch schön sei, denn nur so könne man überhaupt den Betrachter für ein Bild gewinnen, will Cognet wissen, ob Schönheit überhaupt angemessen sei. Dabei versäumt er allerdings den Begriff des Schönen klar zu fassen und eine ästhetische Gegenposition zu formulieren. Dies geschieht aber immerhin indirekt über andere Werke: So weisen die Selbstporträts von Yehuda Bacon nach seiner Befreiung, auf denen eine Hälfte seines Gesichts kohlschwarz, wie ausgelöscht aussieht, in den Bereich des Erhabenen und zeugen von der Empfindung eines Schreckens, der sich nicht ausdrücken lässt.
Aber in der Kunst im Angesicht der Shoah geht es nicht nur um ästhetische Selbstbehauptung und –erforschung, viele Werke folgen einem handfesteren Zweck. So sind Bilder und Zeichnungen oft geradezu journalistisch angelegt, auf ihnen wurden anstelle eines Fotos schreckliche Momente und Orte festgehalten, sodass sie in den späteren Prozessen gegen die Massenmörder Verwendung fanden. Krystyna Zaorska wiederum versuchte, sich und andere Mädchen mit heiteren Bundstiftzeichnungen abzulenken. Und nicht zuletzt ging es immer wieder darum, durch ein Bild den anderen Menschen in der Erinnerung zu behalten, auch wenn dieser spurlos vernichtet werden sollte. Wie wichtig solches Gedenken ist und wie wertvoll das Zeugnis der Leidensgenossen, hebt Cognet hervor, wenn er die Kunstwerke mit Aufnahmen der nicht uninteressierten, aber fast zwangsläufig immer irgendwie ahnungslos wirkenden Touristen in den Gedenkstätten kontrastiert.
Fazit: Anhand einzigartiger und eindrucksvoller durch Holocaust-Opfern geschaffene Werke setzt sich Christophe Cognet in „Weil ich Künstler war“ mit den möglichen künstlerischen Formen des Gedenkens der Shoah auseinander und beweist dabei ebenso viel Sensibilität wie Mut zur Kontroverse.