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    Ned Rifle
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Ned Rifle
    Von Christoph Petersen

    Mit Filmen wie „Trust – Blindes Vertrauen“ und „Simple Men“ avancierte Hal Hartley zu Beginn der 1990er zu einem Star der US-amerikanischen Independent-Szene. Der bestbesprochene Film des Regisseurs, Autors und Komponisten ist dabei bis heute die Tragikomödie „Henry Fool“ von 1997, in der sich der titelgebende Säufer-Schriftsteller Henry Fool (Thomas Jay Ryan) des schweigsamen Müllmanns Simon Grim (James Urbaniak) annimmt und ihn zum nobelpreisgekrönten Beatnik-Poeten formt. Im neun Jahre später folgenden Sequel stand dann mit Simons White-Trash-Schwester Fay (Parker Posey) nicht nur plötzlich eine Nebenfigur des ersten Teils im Zentrum, auch der Ton des Films war ein ganz anderer: „Fay Grim“ ist eine völlig überdreht-philosophische Agentenmär, so etwas wie John le Carré auf Crack. Weitere acht Jahre später ist im dritten Teil „Ned Rifle“, der bei der Berlinale 2015 in der Sektion Panorama aufgeführt wird, nun wieder alles anders: Abermals gibt es eine neue Hauptfigur und der meist schwarze Humor ist diesmal sogar noch absurder.

    Seit seine Mutter Fay Grim im Anschluss der Geschehnisse des zweiten Teils als Terroristin eingebuchtet wurde, lebt ihr Sohn Ned Rifle (Liam Aiken) im Rahmen eines Zeugenschutzprogrammes bei einer Pastorenfamilie. An seinem 18. Geburtstag steht es dem inzwischen strenggläubigen Teenager frei, in seiner neuen Familie zu bleiben oder es auf eigene Faust zu versuchen - und diese Freiheit will Ned nutzen, um seinen verschollenen Vater Henry Fool ausfindig zu machen und ihn für alles, was er seiner Mutter angetan hat, zur Strecke zu bringen…

    Auch wenn Hal Hartley inzwischen lange nicht mehr das gleiche Standing hat wie vor 25 Jahren, ist eine kleine Fangemeinde ihm und seinem absurd-literarischen Humor trotzdem immer treu geblieben: Obwohl die ersten beide Teile der Reihe etwa in Deutschland weder ins Kino gekommen noch auf DVD erschienen sind, hat er für die Produktion von „Ned Rifle“ auf der Crowdfunding-Plattform Kickstarter fast 400.000 Dollar eingesammelt, wobei jeder Fan im Schnitt mehr als 200 Dollar zugeschossen hat (zum Vergleich: der im Internet wesentlich präsentere Uwe Boll hat für „Rampage 3 – No Mercy“ nicht einmal 5.000 Dollar zusammenbekommen). Und so konnte Hartley nun auch einen Film drehen, der sich ausschließlich an seine Jünger wendet: Wenn Simon zu Beginn des Films seine neue Karriere als YouTube-Komiker offenbart (inklusive eines Kurzauftritts von Troma-Kultchef Lloyd Kaufman als „Comedy-Coach“), dann wird wohl nur lachen, wer die Geschichte des Müllmann-Nobelpreisträgers schon in den vorigen Filmen mitverfolgt hat. Dabei sind die Gags selbst allerdings nicht mehr ganz so intellektuell-ambitioniert wie in „Fay Grim“ und vor allem in „Henry Fool“ – so ist „Ned Rifle“ nicht nur der kürzeste, sondern auch der kurzweiligste Film der Trilogie.

    Fazit: „Ned Rifle“ ist ein wunderbar-absurdes Vergnügen für Fans der ersten beiden Teile. Ohne Vorkenntnisse wird die Mehrheit der übrigen Zuschauer angesichts der für sie völlig verworrenen Handlung hingegen nur verwundert mit dem Kopf schütteln.

    Dieser Film läuft im Programm der Berlinale 2015. Eine Übersicht über alle FILMSTARTS-Kritiken von den 65. Internationalen Filmfestspielen in Berlin gibt es HIER.

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