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    Die schöne Krista
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Die schöne Krista
    Von Lars-Christian Daniels

    Spätestens seit Heidi Klums megaerfolgreichem TV-Format „Germany’s Next Topmodel“ haben wir gelernt: Wer die Schönste sein will, muss leiden. Beim knallharten Konkurrenzkampf um Idealmaße, Traumfigur und das perfekte Äußere siegt nur – zumindest wollen uns die TV-Produzenten das glauben machen – wer sich bedingungslos seinem großen Ziel opfert, fest an die Verwirklichung des Traums von einer großen Modelkarriere glaubt und natürlich die richtigen Erbanlagen mitbringt. Vor allem letzteres gilt aber nicht nur für Mensch und Model, sondern genauso für die Viehzucht: Der Handel mit dem Genmaterial fleißiger Milchkühe und potenter Zuchtbullen ist ein lukratives Geschäft und der internationale Konkurrenzkampf gnadenlos. Die Filmemacher Antje Schneider und Carsten Waldbauer gewähren in ihrer Dokumentation „Die schöne Krista“ spannende Einblicke in dieses  beinharte Geschäft: Sie porträtieren in ihrem Leinwanddebüt die preisgekrönte Holsteinkuh Krista und deren Besitzer, die mit der tierischen Schönheit prestigeträchtige Preise abräumen und ganz nebenbei noch Kinder groß ziehen und einen landwirtschaftlichen Betrieb über die Runden bringen müssen.

    Krista ist im mittleren Alter, Mutter dreier Kinder von verschiedenen Vätern und eine Holsteinkuh aus dem Bilderbuch: Ihre formvollendete Figur balanciert sie elegant durch den Stall, ihre Haut ziert ein schwarz-weißes Fleckenmuster und ihr Euter könnte praller kaum sein. Als Krista bei der Deutschen Holstein-Schau zur schönsten Kuh der Bundesrepublik gewählt wird, ändert sich ihr Leben schlagartig: Fortan gehört sie zur Weltelite, bekommt im Stall ihre eigene Box und bringt ihren Besitzern – dem Landwirt Jörg Seeger und seiner Frau Janine – lukrative Erbgutkäufer ein. Kristas Embryonen und Eizellen, die anderen Muttertieren mittels Transplantation eingesetzt und von hochkarätigen Zuchtbullen befruchtet werden können, sind begehrt wie nie zuvor. Antje Schneider und Carsten Waldbauer folgen Krista und Landwirt Jörg rund ein Jahr lang mit der Kamera im Betriebsalltag auf dem Hof, auf Fototermine und Preisverleihungen, beim Besuch des Viehdoktors und bei der Geburt eines Kalbs. Zudem begleiten die Filmemacher Jörg ins Zuchtlabor, zu Auktionen und auf einen kurzen Kanadatrip, von dem sich der Landwirt wertvolle Tipps der kanadischen Konkurrenz erhofft.

    Kaum ist alles sauber, dann fängt die an zu scheißen! Es ist jedes Mal dasselbe!“, flucht Jörg beim Ausmisten des Kuhstalls – und kann schon im nächsten Augenblick herzhaft darüber lachen. Sein Lachen ist ansteckend: Es sind heitere Momente wie diese, die „Die schöne Krista“ nicht nur zu einer informativen, sondern auch zu einer sehr unterhaltsamen Dokumentation machen. Und doch laufen Antje Schneider und Carsten Waldbauer nie Gefahr, das Leben auf dem Bauernhof und die Begegnungen mit der preisgekrönten Krista zu romantisieren: Schon in der Einleitung wird der Zuschauer in einer minutenlangen Sequenz Zeuge dessen, wie Jörg und Janine mit schwerem Gerät und einer schweißtreibenden Hauruck-Prozedur ein Neugeborenes auf die Welt holen und im Anschluss mittels Massage am Leben erhalten. Stirbt das Jungtier, stirbt schließlich Kapital im Wert von mehreren tausend Euro – und Verluste können sie sich angesichts der geringen Milchpreise und der immer härteren Wettbewerbsbedingungen nicht leisten. Später ist es ein Viehdoktor, der sich einen riesigen Plastikhandschuh überstülpt und seinen Arm auf der Suche nach einer Zyste bis zur Schulter in Kristas Hinterteil versenkt. Wer unter Berührungsängsten leidet und seichte Bauernhof-Idylle erwartet, sitzt definitiv im falschen Film.

    Schneider und Waldbauer gewähren faszinierende Einblicke in eine Welt, die sich in der Regel nur bei feierlichen Preisverleihungen oder den gutbesuchten Vieh-Auktionen medialer Aufmerksamkeit erfreut. Bullensamen werden im Katalog bestellt, aufgemotzte Premium-Kühe wie auf dem Laufsteg durch dekorierte Präsentationshallen geführt und viele Autobahnkilometer in Kauf genommen, um sich in Italien auch vor der europäischen Konkurrenz zu beweisen. In den vereinzelt eingestreuten Interviews, mit denen die Dokumentation gekonnt aufgelockert wird, kommen fast ausschließlich norddeutsche Originale zu Wort, die unverblümt schnacken, wie ihnen der Schnabel gewachsen ist, und dem Film dadurch sympathisches Lokalkolorit verleihen. Der Unterschied zu geübten Medienprofis und vielgefragten Interviewpartnern zeigt sich vor allem beim Besuch eines deutlich professioneller aufgestellten Großbetriebs in Kanada, in dem ein routinierter Verantwortlicher stolz die Asche eines verstorbenen Zuchtbullen und dessen zum Gehstock umfunktionierten Penis präsentiert, der stolz in einer Vitrine ausgestellt wird und neugierigen Betriebsbesuchern als Attraktion dient.

    Einer der interessantesten Aspekte der Dokumentation ist die akribische Vorbereitung auf den nächsten anstehenden Schönheitswettbewerb: Schwänze werden frisiert, unschöne Hautstellen mit Farbe und Bürste korrigiert und die Kuppen der Euter sogar mit Sekundenkleber verklebt, damit keine Milch austreten und der Speicher nicht auf ein für den Wettkampf ungünstiges, wenngleich gesünderes Volumen zurückschrumpfen kann. Hier positionieren sich Schneider und Waldbauer durchaus kritisch: Viele Bilder erinnern an die typischen, für szenefremde Beobachter eher befremdlich wirkenden Momente in Bodybuilding-Wettbewerben, bei denen die aufgepumpten Körper gar nicht braun und glänzend genug sein können. Und doch hat man nie das Gefühl, dass Holsteinkuh Krista eine reine Geldanlage ist und sich bei Landwirt Jörg in schlechten Händen befinden könnte: Zu liebevoll behandeln der Landwirt und seine bedingungslos mitarbeitende Frau, die nebenbei noch die Kinder versorgen muss, die preisgekrönte Kuh, zu dick sind Jörgs Freudentränen, als Krista ein weibliches Kalb zur Welt bringt und ihren Titel „Miss Holstein Of Germany“ verteidigen kann. Dass jährlich 4.000 Milchbauern in Deutschland ihren Betrieb aufgeben und Jörg und Janine für die Modernisierung des vergleichsweise traditionell geführten Hofs einen Kredit aufnehmen müssen, bleibt am Ende Randnotiz – hier hätte man sich eine etwas ausführlichere Auseinandersetzung mit den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen und den Problemen der deutschen Landwirte gewünscht.

    Fazit: Ohne Euter keine Competition – Antje Schneider und Carsten Waldbauer liefern mit „Die schöne Krista“ faszinierende und humorvoll angehauchte Einblicke in die Welt der Viehzucht. Eine etwas kritischere Auseinandersetzung mit dem gnadenlosen Konkurrenzkampf unter Landwirten und eine Aufarbeitung der wirtschaftlichen Gesamtsituation hätte dem Film aber nicht geschadet.

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