Lakonie und schwarzer Humor sind symptomatisch für das skandinavische Kino, im kleinen Island spielen außerdem Tradition und Naturverbundenheit eine große Rolle. Die karge, aber dennoch majestätische Landschaft ist auch im Spielfilmdebüt des 1969 geborenen Schauspielers („The Boss of it all“), Bühnenautors und Theaterregisseurs Benedikt Erlingsson quasi ein inoffizieller Hauptdarsteller. In dem Episodenfilm „Von Menschen und Pferden“ geht um die Bewohner einer dörflichen Siedlung und die dort lebenden Pferde - und man würde nicht erwarten, wie absurd, dramatisch und witzig dieses Zusammenspiel ausfallen kann.
Frisch gestriegelt und stolz reitet der nicht mehr taufrische Kolbeinn (Ingvar E. Sigurðsson) auf seiner kleinen weißen Stute zur Witwe Solveig (Charlotte Bøving), doch deren temperamentvoller schwarzer Hengst kann seinen Begierden besser Ausdruck verleihen als die zwei Pferdehalter, was zu einer hochnotpeinlichen Begebenheit führt, die durch unzählige Ferngläser von der gesamten Nachbarschaft beobachtet wird. Danach wird die zarte Romanze der etwas verklemmt auftretenden Isländer erst recht auf Eis gelegt. Doch während episodenhaft die oft drastischen Schicksale anderer Dorfbewohner und ihrer Pferde geschildert werden, kommt man immer wieder zur „eigentlichen“ Liebesgeschichte zurück.
Der Titel „Von Menschen und Pferden“ ist Programm. Die Perspektive der Pferde wird ganz deutlich betont, denn fast jede der kleinen Geschichten beginnt zunächst mit Pferdefell in Großaufnahme, ehe dann im Auge eines Vierbeiners ein Detail aus der Umwelt reflektiert wird. In der Auftaktszene ist dies Kolbeinn, später zum Beispiel ein Jeep oder ein Stück Stacheldraht. Durch diesen Kniff verdeutlicht Debütregisseur Benedikt Erlingsson auch noch einmal die Episodenstruktur seiner schwarzen Komödie und stellt noch einmal besonders heraus, wann eine neue Geschichte beginnt.
Der erste Ausritt Kolbeinns wirkt zwar etwas skurril, hat aber dennoch eine Erhabenheit, die durch die ihn begleitende Kamera sowie die Filmmusik verstärkt wird. Ob man selbst Pferdeliebhaber ist oder nicht, in diesem Film wird man den Reittieren näherkommen, denn sie sind tatsächlich den menschlichen Figuren ebenbürtig und manchmal genauso unverständlich und starrköpfig in ihrem Verhalten. Dabei wird klar, dass die Menschen sich einbilden, die „Herren“ zu sein, was sich vor allem dadurch zeigt, dass ein wiederkehrendes Motiv im „Einfangen“ und der vermeintlichen „Zähmung“ der Pferde besteht, was oft zu kleinen Tragödien führt, bei denen dann die Opfer aus beiden Lagern stammen. Und wenn es richtig böse endet, sind meist die Menschen schuld, die alles komplizieren und dann für die eigenen Unzulänglichkeiten die Tiere bestrafen.
Die fatalistischen Handlungselemente in „Von Menschen und Pferden“ sind oft von einer schockierenden Drastik, so dass man sich immer wieder daran erinnern muss, dass beim Dreh wirklich keine Tiere verletzt wurden. Regisseur Erlingsson sowie sämtliche Schauspieler und Crew-Mitglieder sind selbst Pferdenarren und / oder –halter, die den Tierschutz bei der Produktion groß schrieben, so schwer es bei manch einer Szene – wie einem Unfall, in dem einer der Isländer, der unbedingt Alkohol besorgen will, für eine Unaufmerksamkeit bezahlen muss - zu glauben ist. Das positive Bild der Pferde zeigt sich aber deutlich in der Moral, wird dem Zuschauer doch immer wieder vor Augen geführt, was wir vom Verhalten der prächtigen Tiere lernen können.
Bei Episodenfilmen ist oft das Problem zu beobachten, dass die einzelnen Geschichten von sehr schwankender Qualität sind, auch die Bindung des Zuschauers so schwerer fällt. Erlingsson gelingt es dagegen überzeugend, die einzelnen Episoden fein miteinander zu verweben, so dass man nach und nach die Figuren (ob zwei- oder vierbeinig) kennenlernt und sich trotz der hohen „Sterberate“ wirklich für ihre Schicksale interessiert. Insbesondere der südländische Tourist Juan Camillo (Juan Camillo Roman Estrada) und die durch Cleverness auffallende junge Jóhanna (Sigriður Maria Egilsdóttir) stechen nach und nach immer stärker heraus. Dazu kommt ein sehr abwechslungsreicher Soundtrack. Da wird mal über Chöre Atmosphäre aufgebaut, dann werden mit geradezu „galoppierenden“ Perkussionselementen mit Akkordeoneinsatz die Pferde begleitet oder an anderer Stelle die klirrende Kälte mit entsprechenden Tönen verdeutlicht.
Fazit: Nach „Wild Tales - Jeder dreht mal durch“ ist „Von Menschen und Pferden“ schon der zweite gelungene Episodenfilm im jungen Kinojahr 2015, bei dem wir einen Besuch empfehlen können. Abermals wird drastischer, durchaus tarantinoesker schwarzer Humor genutzt, um etwas über die menschliche Natur wie auch das Herkunftsland zu vermitteln.