Wie kann man auf eine Krise angemessen reagieren? Das ist eine Frage, die gerade in Zeiten von Wirtschaftskrise und zunehmender Politikverdrossenheit von brennender Aktualität ist. Dieses Thema packt Moritz Laube in seinem Spielfilmdebüt „Freiland“ in einer Art Versuchsanordnung an, mit der er durchspielt, was passieren könnte, wenn innerhalb der Grenzen Deutschlands ein neuer Staat gegründet wird. Diese hochinteressante Idee gibt einiges her – doch leider passt in diesem Fall die Umsetzung nicht: Weder Charakterzeichnung noch Inszenierung überzeugen, so dass der spannende Ansatz verpufft.
Niels Deboos (Aljoscha Stadelmann, „Carlos – Der Schakal“) war einst ein motivierter Lehrer, doch mit der Zeit haben die vielfältigen Probleme der Gesellschaft ihn zermürbt. Einzig die Aussicht, seine Schüler zu politischem Engagement zu bewegen, dient ihm noch als Ansporn, um durch den Tag zu kommen. Doch als er seine Klasse zu einer Demonstration mitnimmt, hat das fast katastrophale Folgen: Nur knapp entgehen seine Schützlinge der Gewalt, während er selbst auf einem Auge seine Sehkraft verliert. Die Konsequenz: Deboos wird entlassen. Als er Christian Darré (Matthias Bundschuh, „Shoppen“) trifft, einen erfolglosen Autor von Weltuntergangsbüchern, scheint sein Leben wieder einen Sinn zu bekommen. Deboos nötigt den in einem Wohnmobil hausenden Darré dazu, seine Thesen wahr zu machen und sich von der Gesellschaft abzuwenden. Gemeinsam wollen die beiden einen neuen, besseren, gerechteren Staat in Brandenburg gründen. Voller Enthusiasmus gehen sie ans Werk, doch nicht nur der Bürgermeister (Stephan Grossmann, „Meine Schwestern“) vor Ort hat Zweifel an dem Projekt…
Eine Zeitungsmeldung über eine versuchte Staatsgründung in der Uckermark war es, die Moritz Laube zu seinem Projekt inspirierte. Dass von solch einer Utopie eine gewisse Faszination ausgeht, ist nicht zu bestreiten. Der Gedanke, der fraglos verbesserungswürdigen Gegenwart einen eigenen Staat entgegenzustellen, hat viel dramaturgisches Potential: Konflikte sind vorprogrammiert, die Konstellation für einen packenden, intelligenten Film ist gegeben. Die Probleme von „Freiland“ beginnen jedoch bereits mit der Ausgangslage: Niels ist als unzufriedener Beamter mit eigentlich solidem Gehalt keine richtig nachvollziehbare Figur. In einem Deutschland, das die Wirtschaftskrise im Vergleich mit anderen Ländern recht gut überstanden hat, wirken die Probleme des Protagonisten recht diffus und nicht wirklich ausreichend, um so extrem zu reagieren. Dies scheint Laube auch bewusst gewesen zu sein, so dass er ihm dann noch ein Auge und die Arbeit raubt. Nils scheint das allerdings nicht viel auszumachen, unzufrieden und verlottert war er ja vorher auch schon.
Was ihn genau stört, wird so recht nicht deutlich: Das Wort „Krise“ scheint ausreichende Erklärung zu sein. Bei seinem Kontrahenten, dem Bürgermeister des kleinen Örtchens, in dem die Staatsgründung erfolgt, ist hingegen alles überdeutlich. Konservativ und Karrierist - hier bedient sich Laube der Methode Holzhammer. Etwas absurd mutet zudem an, dass der aus vielen Kino- und TV-Produktionen bekannte Stephan Grossman neben dem Bürgermeister auch noch den Schuldirektor (mit schlecht sitzender Perücke) spielen muss, wofür wohl vor allem das knappe Budget der Grund ist. Das Hauptdarsteller-Trio überzeugt aber trotz der vagen Charakterisierung der Figuren, wodurch allerdings die Differenz zu den sich auf Amateurniveau bewegenden schauspielerischen Leistungen der Nebendarsteller deutlich zutage tritt.
Zudem plätschert die Geschichte allzu unspektakulär ihrem Ende, dem erwarteten Scheitern der Utopie, entgegen. Immer wieder wird schmerzhaft deutlich, dass ohne ausgereiftes Drehbuch gearbeitet wurde: Lediglich ein zehnseitiges Konzept lag vor, das die Schauspieler als Grundlage ihrer Improvisationen nahmen. Das mag in manchen Fällen reizvoll sein, hier sorgt es allerdings für alles anderes als eine überzeugende Dramaturgie. Zudem ist auch die die visuelle Umsetzung wenig überzeugend. Ein knappes Budget hin oder her, die uninspirierte Bildgestaltung inklusive häufiger Unschärfen lässt „Freiland“ endgültig zu einem im Ansatz interessanten, aber letztlich unausgereiftem Experiment werden.
Fazit: Bei „Freiland“ verpufft eine interessante Grundidee angesichts von kaum ausgefeilten Charakteren, einer naiven Haltung und technischen Mängeln fast völlig.