Mein Konto
    Tusk
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    Tusk
    Von Christoph Petersen

    Später stellte sich die Anzeige als Gag des Spaßpoeten Chris Parkinson heraus, aber da hatte sich die #WalrusYes-Kampagne schon längst verselbständigt: In der 259. Episode ihrer Internetshow SModcast mit dem Titel „The Walrus and The Carpenter“ bauten „Clerks“-Kultregisseur Kevin Smith und sein Produzent Scott Mosier eine Annonce, in der ein Hausbesitzer kostenfreies Wohnen anbietet, solange sich der Mieter als Walross verkleidet, zu einer völlig verrückten Filmhandlung aus. Anschließend riefen sie ihre Hörer dazu auf, die Hashtags #WalrusYes und #WalrusNo zu verwenden, um online darüber abzustimmen, ob der spontan zusammengesponnene Plot tatsächlich als Kinofilm umgesetzt werden soll. Das Ergebnis fiel eindeutig aus – und nun gibt es ihn tatsächlich, den betont absurden Walross-Horrorfilm „Tusk“.

    Die Kumpels Wallace Bryton (Justin Long) und Teddy Craft (Haley Joel Osment) moderieren gemeinsam einen populären Podcast, in dem sie sich über die „Stars“ viraler Videoclips lustig machen. Für die nächste Episode hat Wallace einen echten Coup geplant: Er fliegt nach Kanada, um dort den legendären Kill Bill Kid zu interviewen, der sich beim Nachspielen einer Szene aus Quentin Tarantinos Kultfilm vor laufender Kamera versehentlich selbst ein Bein abgehackt hat. Doch der Unglücksrabe ist in der Zwischenzeit verstorben und so steht Wallace plötzlich ohne Story da – zumindest bis er einen ungewöhnlichen Aushang entdeckt: Ein Mann bietet in seinem Haus mietfrei ein Zimmer an und garantiert dazu interessante Geschichten, die für ein ganzes Leben ausreichen sollen. Wallace ist davon so fasziniert, dass er sofort zur Villa von Howard Howe (Michael Parks) aufbricht. Und der an den Rollstuhl gefesselte ältere Herr hat auch direkt die erste unglaubliche Story auf Lager: Einst wurde er nach einem Schiffbruch von einem Walross gerettet, mit dem er anschließend monatelang auf einer einsamen Insel zusammenlebte…

    Wenn „Red State“-Prediger Michael Parks in einer weiteren Wahnsinns-Rolle als Howard Howe seine ersten Seefahrer-Anekdoten zum Besten gibt, funktioniert „Tusk“ auch als atmosphärisch-gruseliger Horrorfilm viel besser, als es die abgefahrene Prämisse eigentlich vermuten ließe. Auch der Body-Horror-Anteil überrascht positiv: Das Walross-Kostüm (die Stoßzähne bestehen aus Wallace‘ zuvor amputierten Beinen) ist genau in dem Maße trashig, dass nicht nur das Freakshow-Bedürfnis des Publikums nach blutiger Kuriosität befriedigt wird. Vielmehr ist es immer wieder ein schmerzhafter Anblick, wenn Howe weiter an seiner arktischen Kreation herumwerkelt. Und weil Kevin Smith seinen Protagonisten als arrogant-egoistisches Hipster-Arschloch präsentiert, drückt man Wallace gar nicht unbedingt die Daumen, dass er aus der Sache wieder heile rauskommt. Stattdessen würde man viel lieber sehen, wie das „fertige“ menschliche Walross nun genau aussehen soll…

    Natürlich sagt man als Verantwortlicher eines Independent-Films mit einem Budget von gerade einmal drei Millionen Dollar nicht nein, wenn ein Megastar wie Johnny Depp anbietet, für eine symbolische Mini-Gage mitzuspielen. Aber im Fall von „Tusk“ hätte Kevin Smith tatsächlich gut daran getan, die verlockende Offerte auszuschlagen: Unter dem Pseudonym Guy Lapointe treibt der exzentrische Depp als ehemaliger Polizeiinspektor, der schon seit Jahren hinter dem Walross-Serienkiller her ist, seine nicht nur in der „Fluch der Karibik“-Reihe zelebrierte Skurrilitäts-Masche endgültig auf die Spitze. Das ist für kurze Zeit recht witzig, aber schließlich reißt der Promi mit seiner flamboyant-eigenwilligen Art den gesamten Film an sich: Man hat den Eindruck, dass Smith schlicht der Mut fehlte, auch nur ein Fitzelchen des Materials mit seinem wild drauflos improvisierenden Supergaststar herauszuschneiden. Das ist besonders schade, weil das cool-trashige Walross-gegen-Walross-Finale zwischen Michael Parks und Justin Long neben dem langgeratenen Depp-Cameo fast ein wenig untergeht.

    Fazit: Eine echte Kino-Kuriosität, der nach einem atmosphärischen Auftakt allerdings vorzeitig die Puste ausgeht – auch „dank“ des ungehemmt auf den Putz hauenden Gaststars Johnny Depp.

    Möchtest Du weitere Kritiken ansehen?
    Das könnte dich auch interessieren
    Back to Top