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    Supermensch - Wer ist Shep Gordon?
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,0
    stark
    Supermensch - Wer ist Shep Gordon?
    Von Björn Becher

    Kurz vor den Dreharbeiten zu seinem Kulthit „Wayne's World“ lernte Mike Myers Anfang der 90er Jahre den Musikmanager Shep Gordon kennen, der Alice Cooper vertrat und sich als harter Verhandlungspartner erwies, als es um einen Kurzauftritt des Schock-Rockers und die Verwendung von Cooper-Songs in Myers‘ Komödie ging. Der Schauspieler war fasziniert von Gordon und dessen Anekdoten, mit der Zeit entstand daraus eine Freundschaft. Jahrzehnte später entschloss sich Myers, seine allererste Regie-Arbeit eben diesem inzwischen fast 70-jährigen Shep Gordon zu widmen und eine Dokumentation über das Leben des Managers, Agenten und Produzenten zu machen. Was darüber bekannt ist, kann eigentlich gar nicht stimmen und doch ist es wahr – zumindest zu großen Teilen. Das Ergebnis ist „Supermensch – Wer ist Shep Gordon?“ eine unterhaltsame und faszinierende Doku über eine schillernde Persönlichkeit, die mit mehr Stars auf du und du ist als die meisten Menschen aufzählen können, aber die auch ein verletzliches Inneres hat und hinter der dauerlachenden Fassade nicht nur glücklich ist.

    Shep Gordon ist eine Legende im Musikgeschäft, dabei kam er dort nur durch viele Zufälle hin. Einer davon war, dass er völlig zugedröhnt eine vermeintliche Vergewaltigung verhindern wollte und dabei Prügel vom „Opfer“ bekam - bei der Dame handelte es sich um Janis Joplin. Schon am nächsten Tag hat sie sich dann mit Shep versöhnt und sie haben sich gemeinsam mit Jimi Hendrix ein paar Drogen eingeworfen. Einmal drin in der Rock-Szene lernte Shep kurz darauf Alice Cooper kennen, der mit seiner Band noch in der Bedeutungslosigkeit herumkrebste und ihn spontan zu seinem Manager machte. Der Job interessierte Gordon erst wenig, er nutzte er ihn damals vornehmlich als Tarnung und vertickte im Umfeld von Konzerten und Musikern Drogen. Doch dann packte ihn der Ehrgeiz. Mit aberwitzigen Aktionen machte er Alice Cooper zum Superstar. Mit dessen Erfolg begann auch Gordons Aufstieg. Über die Jahre vertrat Shep viele weitere Musiker, produzierte Filme und „erfand“ sogar das Phänomen Starkoch, wie wir es heute kennen, also mit Fernsehshow, dem Konterfei auf der eigenen Produktpalette und allem Drumherum. Dieser Shep Gordon hat zugleich auch eine weiche Seite. Er wäre gerne Vater, ist mit dem Dalai Lama befreundet, engagiert sich sozial und reicht vor allem seinen Freunden und Bekannten immer eine helfende Hand.

    Shep Gordons Geschichte ist purer Aberwitz und im Prinzip viel zu abgefahren, um wahr zu sein. Nicht wenige Unwissende dürften daher hinter dem Projekt zuerst eine Mockumentary, also eine wie eine Dokumentation aufgemachte erfundene Geschichte, vermuten, zumal der Klassiker dieses Subgenres „This Is Spinal Tap“ über Ähnlichkeiten mit „Supermensch“ verfügt. Regisseur Myers greift zudem auf einige Stilmittel zurück, die diesen Eindruck verstärken können, aber er tut dies nur, wenn es zur betreffenden Anekdote kein verwendbares Originalmaterial gibt. Da werden dann von den Beteiligten aus der Erinnerung referierte Unterhaltungen von Darstellern mit übertriebenen Gesten und nur halbwegs passenden Mundbewegungen nachgespielt. Oder das Geschehen wird mit Szenen aus zeitgenössischen Filmklassikern illustriert (z. B. mit Ausschnitten aus „Die Warriors“ von Walter Hill), etwa wenn Shep beschreibt, wie er als Wärter in einem Jugendknast verprügelt wurde. Außerdem gibt es noch jede Menge absichtlich schlechte Photoshop-Montagen. Aber trotzdem gilt: Die Geschichte von Shep Gordon ist wahr, so unglaublich sein Werdegang vom perspektivlosen Kiffer zum erfolgreichen Manager, vom Playboy zum Kumpel des Dalai Lama, vom Niemand zu dem Mann, der mehr Stars kennt als jeder andere, auch klingen mag.

    Shep Gordon hat nicht nur Unglaubliches erlebt, er ist auch ein echtes Original mit einem eigenwillig-auffälligen Lachen (das viele der interviewten Stars am Ende des Films zu imitieren versuchen), dem man gerne zuhört, und der Effekt seiner zahlreichen witzigen Anekdoten wird durch Mike Myers‘ eigenwillige Bebilderung noch verstärkt. Besonders interessant ist, wenn Gordon die Wahrheit hinter dem legendären Konzert enthüllt, bei dem Alice Cooper angeblich einem Huhn den Kopf abgebissen und das Blut getrunken hat (auch heute noch das Erste, was den meisten Leuten durch den Kopf spukt, wenn sie den Namen des Sängers hören) oder wenn der Impresario erzählt, wie Cameron Crowe gemeinsam mit ihm das Erlebnis hatte, das die berühmte Flugzeug-Szene aus „Almost Famous“ inspirierte. Gordons Geschichten sind ganz offensichtlich nicht immer hundertprozentig wahr (worauf Mike Myers einmal auch mit einer riesigen Texteinblendung hinweist), das räumt er selbst ein: Einige Erinnerungen seien etwas verschwommen, zumal er auch meist unter Drogen gestanden habe... Oft genug finden sich aber glaubwürdige Zeugen, die ihre Erlebnisse mit Gordon nicht weniger lebhaft beschreiben. Neben Myers selbst sind besonders Alice Cooper, Sylvester Stallone und vor allem Michael Douglas zu nennen. Die Schauspiellegende hat einige der besten Anekdoten zu berichten, zum Beispiel, wie Gordon es schaffte, Sharon Stone glauben zu lassen, dass er der Inhaber einer Burg bei Cannes sei, woraus sich eine Beziehung entwickelte.

    Was „Supermensch – Wer ist Shep Gordon?“ aber schlussendlich zu mehr als einem unterhaltsamen Porträt eines Debütregisseurs über seinen faszinierenden guten Freund macht, ist der Blick auf die Schattenseiten im Leben von Shep Gordon. Er hatte unzählige Schönheiten an seiner Seite, lebte zeitweise sogar im berühmten Playboy-Mansion, führte auch mehrere ernste Beziehungen, doch eins fehlt ihm immer: ein Kind. Es ist berührend, wenn Shep Gordon über die Aufnahmen zum Alice-Cooper-Albumcover „Billion Dollar Babies“ spricht, an denen ein Säugling mitwirkte, und erzählt, dass er es liebt, Kinder im Arm zu halten. Die Sehnsucht und der Wunsch, vielleicht doch irgendwann noch die eine Frau zu finden, mit der er eine Familie gründen kann, werden gleich mehrfach spürbar. Für einen Gänsehaut-Moment sorgt dann noch die Episode über eine lebensbedrohliche Situation, in der die Ärzte Shep kaum mehr Hoffnung gaben. Wenn Gordons Assistentin schildert, wie es war, als er wieder aufwachte, berührt dies ungemein. In diesen Momenten zeichnet Myers ein anderes Bild von Gordon. Der Mann, der immer riesige Scharen von Gästen in seinem Haus hat, bei dem Schauspieler wie Johnny Depp, Clint Eastwood, Arnold Schwarzenegger und Sylvester Stallone ein- und ausgingen und viele Stars sich gegenseitig kennenlernten, ist am Ende des Tages einsam.

    Fazit: „Supermensch – Wer ist Shep Gordon?“ ist eine höchst unterhaltsame und ziemlich unglaubliche Dokumentation über einen ganz besonderen Menschen.

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