Der oberste Schnitzeljäger Hollywoods (noch vor Nicolas Cage als Ben Gates in „Das Vermächtnis der Tempelritter“ und „Das Vermächtnis des geheimen Buches“) kehrt nach sieben Jahren Verschnaufpause auf die große Leinwand zurück. Das Erfolgsrezept der ersten beiden Verfilmungen von Dan Browns unverschämt erfolgreichsten Historien-Puzzles („The Da Vinci Code – Sakrileg“ von 2006 und „Illuminati“ von 2009) bleibt dabei auch im dritten Anlauf unverändert: Tom Hanks schlüpft in „Inferno“ erneut in die Hauptrolle des smarten Kryptologie-Professors Robert Langdon, Mainstream-Spezialist Ron Howard („Apollo 13“) führt wieder Regie und in der zweiten Reihe agieren mit Felicity Jones („Rogue One: A Star Wars Story“) und Omar Sy („Ziemlich beste Freunde“) internationale Hot Shots der nachfolgenden Generation. Was sich ebenfalls nicht geändert hat: Nach 2,5 Sternen für „The Da Vinci Code“ und 2 Sternen für „Illuminati“ bewegt sich die Qualität der großzügig budgetierten Thriller-Reihe auch mit „Inferno“ weiterhin nur im Mittelmaß.
Ein Albtraum, aus dem es keinen Ausweg zu geben scheint: Harvard-Professor Robert Langdon (Tom Hanks) wacht mit einem gigantischen Brummschädel ohne Orientierung in einem Krankenhausbett auf. Gedächtnisverlust infolge eines Schädeltraumas ist die erste Diagnose der jungen Ärztin Dr. Sienna Brooks (Felicity Jones). Noch mehr als die Tatsache, dass er sich nicht mehr an den Vorfall erinnern kann, verwirrt Langdon jedoch, dass er sich in Florenz befindet – und nicht in Boston, wo sein Gedächtnis offenbar ausgesetzt hat! Aber es geht noch schlimmer: Die florentinische Polizisten Vayentha (Ana Ularu) schießt im Hospital auf der Suche nach Langdon wild um sich. Aber der Symbologe kann mit seiner Ärztin fliehen und findet in ihrer Wohnung Unterschlupf. Als Langdon langsam wieder zu sich kommt, stellt er eine Verbindung zwischen seinen Erinnerungslücken und dem Selbstmord des amerikanischen Milliardärs Bertrand Zobrist (Ben Foster) her, der sich erst vor wenigen Tagen in Florenz von einem Kirchturm gestürzt hat. Vor seinem Tod warnte Zobrist davor, dass die Menschheit sich durch die Überbevölkerung der Erde selbst zugrunde richten würde. Deshalb wollte er offenbar mit einer von ihm selbst entwickelten Seuche wieder ein wenig mehr Platz auf der Erde zu schaffen...
Mit „Inferno“ verfilmt Ron Howard den vierten Robert-Langdon-Roman von Beststeller-Autor Dan Brown, der mit „Origin“ für 2017 bereits einen weiteren Teil angekündigt hat. Das dritte Buch „Das verlorene Symbol“ wurde übersprungen, weil der Drehort Washington den Produzenten nicht so ansprechend erschien wie nun Florenz, Venedig und Istanbul. Auf den ersten Blick eignen sich Browns ungeheuer detailreich, physisch und kurzweilig geschriebenen Unterhaltungsreißer hervorragend für hochglänzende Hollywood-Adaptionen: ein charismatischer Protagonist, malerische Schauplätze, ein hohes Tempo und knifflige Rätsel. Aber in dieser Melange steckt eine Zutat, mit der sich schon die beiden vorherigen Filme schwertaten: Beim Lösen der Puzzles bleibt das Publikum in der Regel außen vor – und das ist nun auch bei „Inferno“ nicht anders. Dieses Mal dreht sich alles um den ersten Teil von Dante Alighieris „Göttliche Komödie“, deren versteckten Bezüge Langdon entschlüsseln muss, um seinen persönlichen Ritt durch die Hölle heil zu überstehen und nebenbei auch noch die Hälfte der Weltbevölkerung zu retten. Langdon und seine zufällige Gefährtin Dr. Sienna Brooks erzählen sich gegenseitig die Rätsel - und irgendwann lösen sie sie dann, um zur nächsten Station ihrer Schnitzeljagd zu hetzen, an der auch diverse weitere Parteien (WHO, Geheimdienste, Gangsterschergen) allergrößtes Interesse haben.
Ron Howard setzt den Akzent im dritten Teil stärker auf Action. Das beginnt schon während der hyperaktiven Einführung im Handkamera-Stil à la Paul Greengrass („Bourne“-Reihe), wenn sein Hauskameramann Salvatore Totino („Spider-Man: Homecoming“) vollkommen zügellos herumfuchtelt, um Langdons totale Desorientierung zu dokumentieren - konzeptionell verständlich, aber fürs Publikum ziemlich anstrengend. Wie der seiner Erinnerungen beraubte Langdon stürzt sich auch „Inferno“ kopfüber ins Geschehen. Diesen nervösen Inszenierungsstil behält Howard konsequent bei, wenn die Protagonisten ihre historischen Puzzles vor malerischen Kulturgut-Kulissen im Vecchio-Palast in Florenz oder im Markusdom in Venedig knacken – und dabei werden auch mal kurz 100 Seiten aus der Romanvorlage einfach übersprungen, um bloß das Erzähltempo hoch zu halten.
Es ist der Souverän Tom Hanks („Sully“), der „Inferno“ mit seiner unerschütterlichen Präsenz letztendlich trotz allzu sprunghafter Erzählung zusammenhält. Mit dem so arg wie noch nie gebeutelten Langdon fiebert man vor allem wegen der Leistung des zweifachen Oscarsiegers mit. Felicity Jones tritt die Nachfolge von Audrey Tautou (in „The Da Vinci Code -Sakrileg“) und Ayelet Zurer (in „Illuminati“) an, die als weibliche Anhängsel in Robert Langdons Schlepptau durch die Szenerie geschleift werden. Auch Omar Sy als undurchsichtiger Kopf eines Hescher-Teams entwickelt kaum ein eigenes Profil. Als Antagonist spielt dafür die erprobte Rampensau Ben Foster („Hell Or High Water“) in gewohnt extrovertierter Manier auf. Irrfan Khan („Jurassic World“) erweist sich indes als echter Szenendieb, der erst spät in die Hatz einsteigt, aber dann zumindest noch auf der Zielgeraden für einige erfrischende Ambivalenz und ordentlich Chuzpe sorgt.
Fazit: Ron Howards Mystery-Thriller „Inferno“ ist noch deutlich hektischer als die zwei vorherigen Robert-Langdon-Blockbuster – hochtouriges Starkino vor prächtigen Kulissen mit teils arg wirrer Story.