Eigentlich wollte Luke Davies („Candy - Reise der Engel“) ein Drehbuch über das Phänomen James Dean schreiben. Doch bei der Recherche stieß der australische Poet, Schriftsteller und Drehbuchautor immer wieder auf diese eine ikonische Fotografie, in der Dean an einem regenverhangenen Tag tief in den Kragen seines Mantels gebeugt und lässig mit einer Kippe im Mundwinkel kokettierend durch die Straßen Manhattans schlurft. Für Fotograf Dennis Stock wurde dieses Bild von 1955 zum Durchbruch, im Laufe der Jahre avancierte es zu einer der meistreproduzierten Aufnahmen aller Zeiten. Davies wich also von seinem ursprünglichen Dean-Plan ab und schrieb mit „Life“ ein Biopic-Drama über die lose Freundschaft zwischen dem Schauspieler und dem Fotografen Stock. Dabei erzählt er insbesondere die Geschichte hinter der legendären Bilderstrecke, zu der die erwähnte Aufnahme gehört und mit Regisseur und Profi-Fotograf Anton Corbijn („A Most Wanted Man“, „Control“) steht zudem der richtige Mann auf dem Kommandopult: „Life“ ist atmosphärisch-stilvolles, gut gespieltes Retro-Kino für Filmliebhaber und James-Dean-Fans sowie gleichzeitig eine feinsinnige Reflektion über Hollywood und Fotografie, Schein und Sein – allerdings hat der Film auch spürbare Längen.
Der talentierte Jung-Fotograf Dennis Stock (Robert Pattinson) versucht 1955 in Los Angeles Fuß zu fassen. Für die renommierte Agentur Magnum knüppelt er in der Traumfabrik als Premierenfotograf in der Meute, hofft aber immer darauf, mit einem künstlerisch hochwertigen Essay die nächste Karriereebene zu erreichen. Als er auf einer Hollywood-Party des Regisseurs Nicholas Ray, der gerade seinen neuen Film „… denn sie wissen nicht, was sie tun“ vorbereitet, zufällig den aufstrebenden jungen Schauspieler James Dean (Dane DeHaan) trifft, sieht er seine Chance gekommen: Dean hat soeben Elia Kazans Drama „Jenseits von Eden“ abgedreht, das kurz vor der Premiere steht und wird als kommender Star gehandelt. Stock beginnt mit dem exzentrischen Schauspieler, der sich kaum an Absprachen und Vorgaben hält, eine Art Freundschaft und bekommt schließlich nach hartnäckigen Bemühungen von seinem Magnum-Boss John Morris (Joel Edgerton) den Auftrag für ein Essay über Dean. Doch das unberechenbare Objekt der Begierde ziert sich noch und der Abgabetermin für die Fotos rückt immer näher…
Wie könnte es anders sein: „Life“, der vierte Kinofilm von Anton Corbijn, sieht fantastisch aus - wie alle Werke des Niederländers. Er fängt den Esprit und den Look der Fünfziger mit stilvoller Eleganz ein – dazu erklingt ein toller Jazzscore. „Life“ glänzt fast eine Stunde als superb-atmosphärische doppelte Charakterstudie: Corbijn setzt den Fokus mal auf James Dean, dann wieder auf Dennis Stock – in diesem perfekt ausbalancierten Wechselspiel entsteht ein Spannungsfeld um die beiden Hauptfiguren, die sich trotz ihrer extremen Gegensätzlichkeit zumindest lose miteinander anfreunden. Durch berufliche Ambitionen und künstlerischen Ehrgeiz bekommt die Beziehung eine zusätzliche Dimension: Während Stock Deans baldigen Aufstieg zum Superstar glasklar vor sich sieht und die Gelegenheit ungeduldig für seine eigene Karriere nutzen will, hat der sture Jungschauspieler bereits die Allüren eines alten Hollywood-Hasen und ist ebenso launenhaft wie unzuverlässig – wodurch der nervöse Fotograf wiederum in eine immer schwierigere Lage gerät.
Stocks Leben ist dabei sicherlich nicht uninteressant, aber er ist hier eher so etwas wie der Stellvertreter des Zuschauers, ein Abgeordneter der Normalsterblichen, der sich durch eine Fügung des Schicksals dem Göttlichen nähern darf, denn natürlich überstrahlt die Figur James Dean letztlich alles. Der Schauspieler steht nach kleineren Fernseh- und Theaterrollen unmittelbar vor dem Karriere-Quantensprung mit „Jenseits von Eden“ (was er selbst besser wusste als jeder andere) und ist doch nur noch ein paar Monate von seinem tragischen Unfalltod mit seinem Porsche Spyder 550 im Alter von 24 Jahren entfernt. Mit nur drei hochgelobten Kinofilmen (zu den Werken von Kazan und Ray gesellt sich noch George Stevens' „Giganten“) wurde Dean zum Mythos – und Dennis Stock lieferte die Bilder dazu. Wenn es dem Fotografen nach vielen Zweifeln und Rückschlägen endlich gelingt, Dean die Aufnahmen abzuringen (die entsprechenden Szenen filmt Corbijn mit dem Auge fürs Details und mit der Leidenschaft eines Kollegen voller Bewunderung) und Stock endlich seinen Lohn erntet, ist das auch für den Betrachter wie eine Erlösung. Erst gegen Ende des Films geht dem Regisseur die erzählerische Luft aus und er übertreibt es ein wenig mit den schier endlosen selbstreflexiven Monologen der beiden Protagonisten, die irgendwann auch keine neuen Aspekte oder Facetten mehr bieten.
Dass es hier gelegentlich zu etwas Leerlauf kommt, liegt indes nicht an den Darstellern. Dane DeHaan („The Place Beyond The Pines“, „Chronicle“), einer der meistversprechenden Schauspieler seiner Generation, nähert sich der Ikone James Dean mit klassischem Method Acting. Er hat sich dessen prägnante Stimme und all die Manierismen perfekt angeeignet, den Rest erledigen die Maskenbildner und sein Talent. DeHaan porträtiert Dean als schlichten, aber bauernschlauen, supercoolen Exzentriker, der sich nicht einmal von dem mächtigen Studiochef Jack Warner (ironisch-krachend gespielt von Ben Kingsley) einschüchtern lässt. Der ebenfalls überzeugende Robert Pattinson („Cosmopolis“, „Twilight“), der heute in der Teeniewelt fast so populär ist wie Dean damals, verkörpert das Gegenstück zum gejagten Star, wobei beide Figuren von inneren Dämonen geplagt werden. Pattinsons Dennis Stock verfügt nicht annähernd über das Selbstbewusstsein Deans, ist nebenbei noch ein miserabler Vater und wird von seiner Verbissenheit regelrecht gelähmt. Aber künstlerisch zahlt sich die Beharrlichkeit aus.
Fazit: Anton Corbijn liebt den Film und die Fotografie – und genau diese beiden Kunstformen kommen in seinem atmosphärischen biografischen Drama „Life“ zusammen, wenn Dennis Stock mit der angehenden Ikone James Dean die Bilder seines Lebens schießt.
Dieser Film läuft im Programm der Berlinale 2015. Eine Übersicht über alle FILMSTARTS-Kritiken von den 65. Internationalen Filmfestspielen in Berlin gibt es HIER.